Dr. Oliver Brockmann, Dr. Michael Nugel
Rz. 38
Als Grundlage für ein Auslesen der Fahrzeugdaten kommt insbesondere die Einwilligung des Betroffenen zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten für einen bestimmten Zweck in Betracht. Hier ist zu beachten, dass die datenschutzrechtlich betroffene Person nicht zwingend derjenige sein muss, auf den das Fahrzeug als Halter zugelassen oder dessen Eigentümer dieser ist. Dies hängt vielmehr von der geplanten Aufklärung ab. Geht es z.B. um ein konkretes Fahrverhalten sind personenbezogene Daten des Fahrzeugführers betroffen und allein dessen Einwilligung ist maßgeblich. Geht es dagegen um z.B. das Anlegen des Sicherheitsgurtes durch den Beifahrer ist dessen Einwilligung entscheidend. Die Einwilligung kann bei der weiten zunehmenden Verbreitung von "online Kfz" auch eine Angabe dazu erhalten, ob der Verantwortliche berechtigt sein soll, für den Betroffenen im Rahmen eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO an den Fahrzeughersteller heranzutreten und von diesem bei ihm vorhandene Daten in einem auslesefähigen Zustand anzufordern.
Die Einwilligung kann zwar nach Art. 7 DSGVO formfrei erfolgen, sollte aber zu Beweiszwecken naturgemäß dokumentiert werden. Sie muss freiwillig abgegeben und transparent gestaltet sein. Letzteres bedeutet, dass in der Einwilligungserklärung idealerweise genau angegeben wird, zu welchem konkreten Zweck das Auslesen erfolgt, welche Personen sodann als Verantwortliche die Daten verarbeiten und welche konkreten Daten mit welchen möglichen Erkenntnissen erhoben werden. Der Betroffene muss sich zu all diesen Punkten ein umfassendes Bild machen können und die Einwilligung darf vertraglich nicht mit dem Fortbestand eines Vertrags gekoppelt werden. Die Einwilligung muss also klar und unmissverständlich den verfolgten Zweck und die betroffenen Daten und ihrem Umfang erkennen lassen und dem Transparenzgebot genügen. Insbesondere zu letzterem Gesichtspunkt ist eine genaue Erfassung der aus technischer Sicht sinnvollen und vom Verwender freizugebenden Daten von Bedeutung, die mit einem bestimmten Zweck verbunden sein sollten.
Rz. 39
Muster 18.7: Übersicht der aus dem Fahrzeug zur Unfallrekonstruktion auszulesenden Daten
Muster 18.7: Übersicht der aus dem Fahrzeug zur Unfallrekonstruktion auszulesenden Daten
Die nachfolgenden Daten können aus dem Fahrzeug _________________________ zum Zwecke der Rekonstruktion des Verkehrsunfalls vom _________________________ ausgelesen werden, soweit sie geeignet sind, zur Aufklärung beizutragen:
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zur Erkennung von Anstößen und ggf. Auslösung von Rückhaltesystemen (z.B. Airbags, Gurtstraffer, u.a.), |
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zur Auslösung von Fußgängerschutzsystemen, |
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zu dem Eingreifen von Assistenzsystemen (z.B. ABS, ESP, Bremsassistenzsystemen, sowie Systemen zur teil- oder ggf. vollautonomen Fahrzeugführung), |
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zur Geschwindigkeit vor der Kollision und zur kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugs, |
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zum Lenk- und Bremsverhalten des Fahrers und/oder aktiver Assistenzsysteme vor, während und nach der Kollision, |
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aus EDR- (Event Data Recorder) Systemen im Airbagsteuergerät oder ähnlichen/verwandten Steuergeräten des Fahrzeugs, |
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zum Aufenthaltsort des Pkw zum Schadenszeitpunkt (z.B. im Navigationsgerät hinterlegte Daten zum Standort zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls). |
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Sonstige: _________________________ |
Rz. 40
Von wesentlicher Bedeutung bei der Erstellung ist die Sicherstellung von Freiwilligkeit und Transparenz der Einwilligungserklärung. Inhaltlich müssen die umfassten personenbezogenen Daten aufgeführt werden, so dass kein Zweifel über den Umfang der Daten besteht. Darüber hinaus ist auf den konkreten Zweck der Datenverwendung einzugehen, ggf. auch auf potentielle Empfänger der Daten hinzuweisen.
Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden und darauf ist der Betroffene auch einschließlich der dafür vorgesehenen Möglichkeiten hinzuweisen. Die Möglichkeit des Widerrufs zeigt zugleich einen besonderen Nachteil dieses Rechtfertigungsgrundes: Die Einwilligung scheidet bei einem Widerruf für die Zukunft als Grundlage der weiteren Verarbeitung der Daten aus. Eine weitere Verarbeitung auf Basis einer anderen Rechtsgrundlage sollte jedoch zumindest dann zugelassen werden, wenn der Betroffene dem Gebot der Transparenz entsprechend hierüber bereits bei Abgabe seiner Einwilligung informiert worden ist und dies von Anfang an berücksichtigen konnte. I.d.R. wird insoweit eine Güterabwägung nach Art. 6 Abs. 1f DSGVO in Betracht kommen und der Widerruf der Einwilligung zugleich als diesbezüglicher Widerspruch i.S.d. Art. 21 DSGVO auszulegen sein. Der Verantwortliche hat dann eine weitere Interessenabwägung vorzunehmen und den Betroffenen darüber zu informieren, ob trotz des Widerrufs weiter eine Verarbeitung erfolgen soll – so z.B. zum Schutz überwiegender Interessen bei der Verfolgung berechtigter zivilrechtlicher Ansprüche oder der Abwehr unberechtigter Ansprüche i.S.d. Art. 6 Abs. 1f DSGVO.