Rz. 41
Häufiger als durch Verschweigen ungefragt offenbarungspflichtiger Tatsachen kann es dadurch zu einer arglistigen Täuschung des Arbeitgebers kommen, dass der Arbeitnehmer auf bestimmte Fragen des Arbeitgebers – im Einstellungsgespräch oder im (mitbestimmungspflichtigen) Personalfragebogen – bewusst wahrheitswidrig antwortet. Zum Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung eines Bewerbers vgl. auch § 6.
Rz. 42
Die in § 123 Abs. 1 BGB verlangte Rechtswidrigkeit liegt dabei nur vor, wenn eine zulässige Frage gestellt worden ist. Auf eine zulässige Frage des Arbeitgebers i.R.d. Einstellung muss der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß antworten, will er nicht eine spätere Anfechtung wegen arglistiger Täuschung riskieren. Auf eine unzulässige Frage darf der Bewerber dagegen ohne rechtliche Konsequenzen falsch antworten, um sich der Einstellungschancen nicht zu begeben (BAG v. 15.10.1992 – 2 AZR 227/92, NZA 1993, 257 = BB 1993, 219; BAG v. 21.2.1991, NZA 1991, 719 = DB 1991, 1934).
Rz. 43
Bei der Einführung von Personalfragebögen besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 94 Abs. 1 BetrVG. Führt der Arbeitgeber einen solchen Personalfragebogen ohne Zustimmung des Betriebsrates ein, ist der Arbeitnehmer gleichwohl nicht berechtigt, eine dort gestellte und individualarbeitsrechtlich zulässige Frage falsch zu beantworten; sein Verhalten kann vielmehr eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung rechtfertigen (vgl. BAG v. 2.12.1999 – 2 AZR 724/98, NZA 2001, 107 = DB 2000, 1418).
Rz. 44
Um zu beurteilen, ob eine Frage zulässigerweise gestellt worden ist oder nicht, sind die berechtigten Informationsinteressen des Arbeitgebers gegen das Persönlichkeitsrecht und das durch dieses geschützte Geheimhaltungsinteresse des Arbeitnehmers abzuwägen (BAG v. 13.6.2002 – 2 AZR 234/01, NZA 2003, 265 = DB 2003, 696; BAG v. 5.10.1995, NZA 1996, 371 = BB 1996, 396).
Rz. 45
Fragen im Einstellungsgespräch nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit sind unzulässig (BAG v. 28.3.2000 – 1 ABR 16/99, NZA 2000, 1294 = DB 2001, 203). Gleiches gilt für die Religions- und Parteizugehörigkeit (LAG Chemnitz v. 6.7.1993, LAGE Nr. 4 zu § 611 Persönlichkeitsrecht), es sei denn, der Arbeitgeber ist ein Tendenzunternehmen (Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 173; vgl. auch § 9 AGG). Die Frage nach der Mitgliedschaft in der Scientology-Vereinigung ist in Konsequenz des Urteils des BAG v. 22.3.1995 – 5 AZB 21/94, NZA 1995, 823 = DB 1995, 1714) keine Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft. Angesichts des ausdrücklich erklärten Zieles der Vereinigung, "egal wie, die Schlüsselposition (in Unternehmen) zu erobern" (Hubbard, What we expect of a Scientologist, zitiert nach Voltz) und angesichts der totalitären, u.a. auf völligen inneren Gehorsam der Mitglieder gerichteten Strukturen der Vereinigung ist die Frage des Arbeitgebers nach einer Mitgliedschaft in Scientology wegen der Gefahren künftiger Illoyalitäten jedenfalls bei der Einstellung in Vertrauens- und Leitungspositionen als zulässig angesehen worden (Bauer/Baeck, DB 1997, 2534). Ob diese Auffassung nach Inkrafttreten des AGG, das in § 1 AGG auch eine Benachteiligung aus Gründen der Weltanschauung verbietet, von der Rspr. aufrechterhalten bleibt, ist fraglich (skeptisch auch ErfK/Schlachter, § 1 AGG Rn 8).
Rz. 46
Die Rspr. hat die Frage nach einer Stasimitarbeit im öffentlichen Dienst als zulässig (BAG v. 6.7.2000 – 2 AZR 543/99, NZA 2001, 317 = NJW 2001, 701; BAG v. 13.6.1996, NZA 1997, 204 = DB 1996, 2088) und in der Privatwirtschaft dann als zulässig erachtet, wenn der zu besetzende Arbeitsplatz ein besonderes Sicherheitsbedürfnis erfordert (ArbG Darmstadt v. 26.5.1994 – 8 Ca 674/93, BB 1994, 2495). Das BVerfG hat im Jahr 1997 entschieden, dass eine vor dem Jahre 1970 abgeschlossene Tätigkeit für die Staatssicherheit verschwiegen werden darf, da dieser lang zurückliegenden Tätigkeit im Regelfall lediglich eine äußerst geringe Bedeutung für ein neu zu begründendes Arbeitsverhältnis bzw. den Fortbestand eines übernommenen Arbeitsverhältnisses zukommt (BVerfG v. 8.7.1997 – 1 BvR 2111/94, ZA 1997, 992 = NJW 1997, 2307). Das BAG hat im Jahr 2000 sodann geurteilt, dass nach einer vor 1970 abgeschlossenen Tätigkeiten für die Stasi dann gefragt werden darf, wenn diese Tätigkeiten besonders schwer wiegen (BAG v. 6.7.2000 – 2 AZR 543/99, NZA 2001, 317 = NJW 2001, 701).
Rz. 47
Die Frage nach der Höhe des bisherigen Gehaltes ist unzulässig, wenn dieses für die erstrebte Stelle keine Bedeutung hat und der Bewerber die bisherige Gehaltshöhe auch nicht als Mindesthöhe gefordert hat (BAG v. 19.5.1983, BB 1984, 533 = DB 1984, 298). Vor der Einstellung in besondere Vertrauenspositionen (leitender Angestellter, Bankkassierer u.Ä.) darf auch nach den Vermögensverhältnissen gefragt werden (Schaub/Linck, ArbRHB, § 26 Rn 34).
Rz. 48
Die Frage nach Krankheiten darf sich nur auf bestehende Krankheiten beziehen und ist auch dann nur zulässig, wenn diese im Zusammenhang mit dem einzugehenden Arbeitsverh...