Rz. 67

Geschäftsgrundlage eines Vertrages sind bestimmte tatsächliche Umstände oder bestimmte Erwartungen zukünftiger Entwicklungen tatsächlicher Umstände, die von beiden Parteien des Vertrages übereinstimmend vorausgesetzt werden, andernfalls sie ihre betreffenden Vertragserklärungen nicht abgegeben hätten. Dabei reicht es, dass die eine Vertragspartei erkennt, welche Umstände für die andere Partei die Geschäftsgrundlage bilden (vgl. nur BAG v. 25.7.1990 – 5 AZR 394/89, NZA 1991, 16 = DB 1991, 1733; BGH v. 31.5.1990, NJW 1991, 1478).

 

Rz. 68

Das aus § 242 BGB entwickelte und seit dem 1.1.2002 in § 313 BGB geregelte Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gilt zwar grds. auch im Arbeitsrecht. Hier steht es jedoch in besonderer Konkurrenz zu den Kündigungsvorschriften, die mit seiner Hilfe nicht umgangen werden können. Daraus ist mit der ganz herrschenden Meinung zu folgern, dass jedenfalls bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kündigungsvorschriften vorgehen und das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verdrängen (BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16, juris Rn 30; BAG v. 5.6.2014 – 2 AZR 615/13, juris; BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, DB 2006, 1114 = NZA 206, 587; Schaub/Linck, ArbRHB, § 121 Rn 4). Lediglich bei ganz außergewöhnlichen Umständen kommt eine Vertragsbeendigung ohne Ausspruch einer Kündigung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. So hat das BAG im Jahr 1995 entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer, der im Jahr 1978 von der Stasi festgenommen und unmittelbar aus der Haft in die BRD abgeschoben wurde, nach der Wende nicht auf das Fehlen einer Kündigungserklärung berufen könne. Die Grundlage des Arbeitsverhältnisses sei nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entfallen (BAG v. 24.8.1995 – 8 AZR 134/94, NZA 1996, 29 = DB 1996, 97).

 

Rz. 69

Die Anpassung des Arbeitsvertrages an geänderte Umstände geschieht entweder durch Ausübung des Direktionsrechtes oder durch eine Änderungskündigung. Auch hier ist kein Bedarf für die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorhanden.

 

Rz. 70

Ein Anwendungsbereich für das Rechtsinstitut mag im Einzelfall im reinen Leistungsbereich gegeben sein (der Arbeitgeber gewährt eine besondere Zuwendung im Vertrauen darauf, der Arbeitnehmer werde das Arbeitsverhältnis noch längere Zeit fortsetzen, und wird in dieser Erwartung durch eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers enttäuscht; vgl. dazu LAG Hamm v. 21.10.1994 – 5 Sa 397/94, n.v.). Auch Gesetzesänderungen können die Geschäftsgrundlage eines Vertrages so verändern, dass Leistung und Gegenleistung nicht mehr in dem zuvor vereinbarten Verhältnis stehen und die vertraglichen Absprachen nach den Regeln über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage anzupassen sind (BAG v. 8.10.2009 – 2 AZR 235/08, juris).

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