Rz. 3
Den Anwendungsbereich für das Verbot von Benachteiligungen aus den Gründen des § 1 AGG regelt § 2 AGG. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AGG ist das Benachteiligungsverbot auf alle Tatbestände aus dem Bereich des Berufs und der Beschäftigung anwendbar (sachlicher Anwendungsbereich). Daneben regelt § 2 Abs. 1 Nr. 5–8 AGG weitere Anwendungsfelder wie Bildung oder den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraums.
Rz. 4
Den persönlichen Anwendungsbereich für das AGG legt § 6 AGG fest. Danach gilt das AGG im Arbeitsrecht für Bewerber, Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Personen, Auszubildende, Heimarbeiter, ausgeschiedene Beschäftigte, bei denen noch Folgewirkungen bestehen, und Leiharbeiter, wobei sowohl der Verleiher als auch der Entleiher als Arbeitgeber gelten. Soweit es den Zugang zur Beschäftigung oder beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Schutzvorschriften auch für Organmitglieder, wie Geschäftsführer, Vorstände und für Selbstständige entsprechend (§ 6 Abs. 3 AGG). Unter einem Zugang zur Beschäftigung versteht man dabei nicht nur den erstmaligen, sondern auch den erneuten Zugang bzw. die Fortsetzung nach Beendigung einer Tätigkeit (OLG Köln v. 29.7.2010 – 18 U 196/09). Auch ein Geschäftsführer, der nach Ablauf seines Vertrages nicht weiterbeschäftigt wird, fällt in den Schutzbereich des AGG. Der Beschluss eines Arbeitgebers, einen Geschäftsführer nach dem Ende seines Vertrages nicht weiter zu beschäftigen, stellt nämlich eine Entscheidung über den Zugang im Sinne von § 6 Abs. 3 AGG dar (BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, n.v.). I.Ü. findet das AGG auf Geschäftsführer keine Anwendung. Für die Anwendbarkeit des AGG muss, anders als für die Anwendbarkeit des KSchG, in einem Betrieb keine Mindestanzahl von Arbeitnehmern vorhanden sein; es genügt bereits ein Arbeitnehmer.
Rz. 5
Die Vorschriften des AGG gelten sowohl für das kollektive als auch für das individuale Arbeitsrecht. So sind auch die Tarifvertragsparteien an das in § 7 Abs. 1 Hs. 1 AGG normierte Benachteiligungsverbot gebunden und § 7 Abs. 2 AGG findet nicht nur auf Individualvereinbarungen, sondern auch auf Tarifverträge Anwendung (BAG v. 15.2.2011 – 9 AZR 584/09).
Rz. 6
Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG ist das Benachteiligungsverbot für alle Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg, anwendbar. Dadurch soll schon in der Vertragsanbahnungsphase jede Benachteiligung ausgeschlossen werden. So unterliegt bereits jede Stellenausschreibung, jedes Bewerbungsgespräch, jeder Personalbogen, jede getroffene Auswahl bei der Einstellung der AGG-Kontrolle. Das Verbot der Benachteiligung im Rahmen einer Ausschreibung ist in § 11 AGG gesondert erwähnt.
Das Fragerecht des Arbeitgebers im Rahmen eines Bewerbungsgespräches ist insoweit eingeschränkt, als dass die eingeholten Informationen zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung bei der Auswahlentscheidung führen können. Bereits bekannt ist das Verbot der Frage nach der Schwangerschaft, das auf den gleichen Gründen basiert (EuGH v. 3.2.2000 – 6 C 207/98; BAG v. 6.2.2003 – 2 AZR 621/01; ErfK/Schlachter, AGG, § 2 Rn 4a). Des Weiteren können Fragen nach dem Alter, der Behinderung, dem Familienstand, nach einem Lichtbild, der Religionszugehörigkeit kritisch sein. Eine Benachteiligung liegt jedoch nicht in der verbotenen Frage, sondern in der Nichteinstellung (EuGH v. 3.2.2000 – 6 C 207/98; EuGH v. 4.10.2001 – C-109/00). Ein beruflicher Aufstieg steht immer mit der Änderung des Tätigkeitsbereiches oder der Verantwortung der Beschäftigten im Zusammenhang. Im Fall einer Gehaltserhöhung handelt es sich daher nicht um einen beruflichen Aufstieg, da insoweit nur die Arbeitsbedingung "Entgelt" betroffen ist (EuGH v. 30.4.1998 – C 136/95; ErfK/Schlachter, AGG, § 2 Rn 7).
Rz. 7
Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG sollen zudem alle Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes und der Entlassungsbedingungen, insb. in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg vom Benachteiligungsverbot erfasst sein. Hierunter fällt auch die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses. Denn auch eine solche Vereinbarung stellt eine Entlassungsbedingung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG dar (BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 524/09). Für das Individualarbeitsrecht bedeutet dies, dass die Benachteiligungsverbote bei allen Vereinbarungen, wie z.B. Arbeitsverträgen, Zusatzvereinbarungen, Aufhebungsverträgen und bei allen Maßnahmen, die der Arbeitgeber ggü. dem Betroffenen ergreift, wie z.B. Abmahnung, Versetzung, Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz, Arbeitsanweisung, Eingruppierung, ordentliche oder außerordentliche Kündigung, beachtet werden m...