Rz. 24

Auch für die Begriffe der Religion und Weltanschauung gibt es keine Legaldefinition. Daher muss die deutsche Rspr. zu Art. 4 GG herangezogen werden. Die Begriffe sind weit zu verstehen, damit nicht bereits im Wege einer Definition diskriminiert und der Schutzbereich des AGG unzulässig verkürzt wird. Die Rspr. versucht diese Begriffe als eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens definitorisch zu erfassen (BVerwG v. 27.3.1992 – 7 C 21/90, BVerwGE 90, 112). Wobei unter Religion der Glaube an eine transzendentale, übermenschliche Wirklichkeit verstanden wird, während die Weltanschauung den Glauben an eine Ordnung der erlebbaren Wirklichkeit bezeichnet (BAG v. 22.3.1995, BB 1995, 1492). Gemeinsames Abgrenzungsmerkmal der religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen ggü. anderen Überzeugungen ist ihre Totalität. Sie müssen auf eine Sinndeutung der Welt im Ganzen, auf eine Gesamtansicht über das Leben bezogen sein. Das unterscheidet sie von Überzeugungen zu Teilaspekten der Welt und des Lebens, die sich z.B. auf Fragen der Natur, der Ästhetik, der Moral oder der Politik beschränken (zur Abgrenzung politischer Überzeugungen: BVerwG v. 7.7.2004 – 6 C 17.03, NJW 2005, 85; BVerwG v. 25.1.2006 – BVerwG 6 A 6.05, NVwZ 2006, 694; zur Abgrenzung philosophischer Spekulationen bei Scientology: BVerwG v. 14.11.1980 – BVerwG 8 C 12.79, BVerwGE 61, 152; BVerwG v. 19.2.1992, BVerwGE 89, 368). Die politische Meinung fällt mithin nicht in den Schutzbereich. Problematisch ist die Einordnung der Scientology als Religionsgemeinschaft und entsprechend als Weltanschauung. Deutsche und englische Gerichte verneinen die Religionseigenschaft, französische und US-amerikanische Gerichte bejahen diese hingegen. Es ist insoweit die Rspr. des EuGH abzuwarten (Bauer/Göpfert/Krieger, s.o., § 1 Rn 33).

 

Rz. 25

 

Praxistipp

Bis zur höchstrichterlichen Klärung der Einordnung der Scientology sollte der Arbeitgeber nicht nach der Zugehörigkeit in Bewerbungsgesprächen fragen oder solche Fragen in Personalbögen stellen.

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