Rz. 67
Der Arbeitgeber muss den Teilzeitbeschäftigten bei der Stellenbesetzung nicht bevorzugen, wenn Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen, § 9 S. 1 Nr. 3 TzBfG.
Rz. 68
Haben also zwei teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer den Wunsch nach Verlängerung ihrer Arbeitszeit und sind beide für denselben freien Arbeitsplatz geeignet, kann der Arbeitgeber die Bewerbung des einen mit dem Wunsch des anderes zurückweisen. Dabei kann er – bei gleicher Eignung – frei unter den beiden Teilzeitbeschäftigten auswählen. Er hat lediglich dieselben Beschränkungen wie bei jeder anderen Stellenbesetzung zu beachten, jedoch keinerlei soziale Gesichtspunkte.
Rz. 69
Auch billiges Ermessen ist nicht anzuwenden; es handelt sich nicht um die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, sondern um ein Bewerbungsverfahren. Deshalb ist auch eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung nach dem Maßstab des § 315 BGB ausgeschlossen.
Rz. 70
Schwerbehinderte Menschen und ihnen Gleichgestellte können nach § 154 SGB IX ebenfalls zu bevorzugen sein. Eine entsprechende Bewerbung dürfte mindestens denselben Stellenwert haben wie ein konkurrierender Arbeitszeitwunsch eines Teilzeitbeschäftigten.
Rz. 71
Erstaunlich ist, dass das Gesetz als Ausschlussgrund für den Verlängerungswunsch allgemein Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nennt. Die Formulierung ist nicht auf konkurrierende Verlängerungswünsche begrenzt, sondern erfasst alle Arbeitszeitwünsche. Zugleich sind die Arbeitszeitwünsche vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ausgeschlossen. Verlängerungswünsche anderer Teilzeitbeschäftigter sollen also ebenso zu berücksichtigen sein wie Reduzierungswünsche anderer Teilzeitbeschäftigter, nicht aber die Reduzierungswünsche von Vollzeitbeschäftigten.
Rz. 72
Eine derart gleichheitswidrige Behandlung verbietet Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 242 BGB, auch wenn § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG nur das Verbot der Diskriminierung zu Lasten der Teilzeitbeschäftigten enthält. Als Lösung ist § 9 S. 1 Nr. 3 TzBfG verfassungskonform auszulegen. Im Ergebnis kann auch ein Verringerungswunsch eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers dem Verlängerungsbegehren nach § 9 TzBfG entgegenstehen. Die zu enge Wortwahl des Gesetzgebers, nach der nur die Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, dürfte der Intention geschuldet sein, in § 9 TzBfG die Rechtsverhältnisse Teilzeitbeschäftigter zu regeln. Will man dies nicht akzeptieren, wäre zu erwägen, ob der Verringerungswunsch eines Vollzeitbeschäftigten im konkreten Einzelfall einen dringenden betrieblichen Grund i.S.v. § 9 S. 1 Nr. 4 TzBfG darstellt.
Rz. 73
Damit ist noch nicht geklärt, wie die Auswahl zwischen den Arbeitnehmern zu treffen ist, wenn ein Verringerungswunsch (z.B. nach § 8 TzBfG, ggfs. aber auch auf Grundlage einer spezialgesetzlichen Norm) auf den Verlängerungswunsch eines anderen Arbeitnehmers trifft. Das Gesetz hält hierzu keine eindeutige Antwort parat. Man wird allenfalls aus der generellen Zielsetzung der Förderung von Teilzeitbeschäftigung schließen können, dass einem Teilzeitwunsch – also einem Verringerungswunsch – gegenüber einem Aufstockungswunsch der Vorrang einzuräumen ist. Das gilt umso mehr, wenn der Teilzeitwunsch einer besonderen persönlichen Lebenssituation des Beschäftigten geschuldet ist (z.B. Teilzeit in Elternzeit, Pflegeteilzeit, Familienpflegezeit).
Rz. 74
Hiernach würde gelten:
Beispiel
Schreibt der Arbeitgeber eine Teilzeitstelle mit 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit aus und interessieren sich nach entsprechender Ankündigung für diese Stelle sowohl ein mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigter Arbeitnehmer als auch ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, so geht der Verringerungswunsch des vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers gem. § 8 TzBfG dem Verlängerungswunsch gem. § 9 TzBfG vor.