Rz. 69
Bringt die Erbengemeinschaft keinen Geschäftsführer in Position und sind die Miterben die "Unternehmensträger", dann sollten sie auf einige Stolpersteine achten, die das Arbeitsrecht im Bereich der Kündigung bereithält.
Rz. 70
Entscheidet sich die Erbengemeinschaft Kündigungen auszusprechen, so hat sie diese in der Form des § 623 BGB abzugeben. Kündigungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Erfasst werden hiervon alle Arbeitsverhältnisse, auch jene von Aushilfskräften, geringfügig Beschäftigten und Geschäftsführern, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis stehen.
Rz. 71
Die Kündigung muss zunächst die Voraussetzungen von § 126 BGB erfüllen. D.h. über die Kündigungserklärung muss eine schriftlich abgefasste Erklärung vorliegen. Eine WhatsApp-Nachricht oder eine SMS sind nicht ausreichend. Die Urkunde muss vom Aussteller eigenhändig unterzeichnet sein. Die Unterschrift ist durch Nennung des ausgeschriebenen Namens zu leisten. Für die Wahrung der Schriftform des § 623 BGB ist es nach der BAG-Rechtsprechung für die wirksame Kündigung eines Arbeitsverhältnisses erforderlich, dass alle Erklärenden die schriftliche Willenserklärung unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter die Erklärung, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Sind bei einer GbR alle Gesellschafter im Briefkopf und in der Unterschriftenzeile aufgeführt, reicht es nach der Rechtsprechung des BAG für die Einhaltung der Schriftform nicht aus, wenn lediglich ein Teil der GbR-Gesellschafter ohne klarstellenden Vertretungszusatz die Kündigung unterzeichnen. Fehlt eine Unterschrift, ist die Kündigung allein deshalb formunwirksam.
Rz. 72
Weiterhin stellt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses materiell-rechtlich eine Verfügung der Erbengemeinschaft im Sinne des § 2040 BGB dar. Nach der älteren Rechtsprechung des BGH galt hier das Einstimmigkeitsprinzip für Verfügungen über den Nachlass wie die Kündigung. Also mussten – sofern keine Bevollmächtigung vorlag – alle Erben die Kündigung erklären und die Kündigung unterzeichnen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann es aber auch ausreichen, dass abweichend von § 2040 BGB die Mehrheit der Erben die Verfügung wirksam im Rahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung vornehmen können. Zu dieser Problematik, dem Verhältnis zwischen § 2040 BGB und § 2038 BGB und der Rechtsprechung nebst ergänzenden Nachweisen wird auf die ausführlichen Ausführungen in § 4 Rdn 72 ff. und § 21 Rdn 27 ff. verwiesen. Es fragt sich, welche Folgerungen sich für den Fall der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine Erbengemeinschaft ergeben. Nach der ständigen für die anwaltliche Praxis zu beachtenden BGH-Rechtsprechung ist – anders als die GbR seit der Rechtsprechung zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR im Jahre 2001 – die Erbengemeinschaft weder rechtsfähig noch parteifähig. Diese Grundsätze sind nach dieser Rechtsprechung auch nicht auf die Erbengemeinschaft übertragbar. Die Erbengemeinschaft verfügt danach, anders als die GbR, nicht über Organe, durch die sie bei z.B. gesellschaftsvertraglicher Regelung auch einzeln im Rechtsverkehr unmittelbar für die Gesellschaft handeln könnte und ist kein eigenständiges Rechtssubjekt. Sie kann auch nicht Partei sein, sondern nur die einzelnen Erben. Für die Erbengemeinschaft bedeutet dies im Fall der Kündigung, dass – neben der Beachtung der Formwirksamkeit der Kündigung (alle Gesellschafter müssen unterzeichnen oder die unterzeichnenden Gesellschafter erklären durch entsprechenden Zusatz, zugleich auch in rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht der übrigen zu handeln) – auch beachtet werden muss, dass die Kündigung materiell-rechtlich als Verfügung über den Nachlass wirksam im Sinne der erbrechtlichen Vorschriften vorgenommen wurde. Zur Vermeidung von Unsicherheiten sollten – sofern kein gemeinsamer Bevollmächtigter handelt – sämtliche Erben die Unterschrift eigenhändig leisten.
Rz. 73
Diese Rechtslage wird durch das zum 1.1.2024 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) sogar weiter statuiert. Durch das MoPeG werden u.a. zivilrechtliche Regelungen in Bezug auf Personengesellschaften im BGB und HGB (insbesondere für die GbR, OHG und KG) geändert. So wird die seit 2001 durch die Rechtsprechung anerkannte Rechtsfähigkeit der GbR nunmehr gesetzlich anerkannt. Es wird zukünftig zwischen rechtsfähigen (Außen-)Gesellschaften als GbR, der das Gesellschaftsvermögen als Rechtsträger zugeordnet ist, und nicht rechtsfähigen (Innen-)Gesellschaften (z.B. Bruchteilsgemeinschaften), die gemäß § 740 Abs. 1 BGB n.F. kein eigenes Vermögen und somit auch kein Gesamthandsvermögen bilden können, unterschieden (vgl. § 705 Abs. 2 BGB n.F.). Das Gesamthandsprinzip wird für Personengesellschaften durch den § 713 BGB n.F. abgeschafft, es gilt bei der Erbengemeinschaft im Umkehrschluss somit aber wie bisher fort. Zu den Auswirkungen des...