1. Überblick
Rz. 22
In der Rspr. ist anerkannt, dass derjenige, der befürchten muss, mit einer einstweiligen Verfügung überzogen zu werden, bei Gericht eine Schutzschrift einreichen kann, damit das Gericht dann nicht nur das einseitige Vorbringen des Antragstellers zugrunde legen darf, sondern zugleich auch die Erwiderung des Antragsgegners berücksichtigen muss. Zwischenzeitlich ist insoweit ein zentrales Schutzschriftenregister eingerichtet (§ 945a ZPO), das von den Anwälten genutzt werden muss (§ 49c BRAO).
Rz. 23
Feststehen dürfte zwischenzeitlich in gefestigter Rspr., dass für das Einreichen einer Schutzschrift keine Geschäftsgebühr anfällt, sondern eine Verfahrensgebühr. Der Auftrag, eine Schutzschrift einzureichen, ist verfahrensbezogen und betrifft nicht die außergerichtliche Vertretung, sondern die Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren. Die Besonderheit ist hier lediglich die, dass das Verfahren noch nicht anhängig ist, sondern, dass ein solches Verfahren lediglich erwartet wird. Indes spielt es für das Entstehen der Verfahrensgebühr keine Rolle, ob das Verfahren anhängig ist oder nicht. Wie sich aus Vorbem. 3 Abs. 1 VV ergibt, entsteht die Verfahrensgebühr, wenn ein unbedingter Auftrag zu einem gerichtlichen Verfahren erteilt worden ist. Insoweit muss es sich nicht um einen Klageauftrag handeln. Auch der Klageverteidigungsauftrag ist ein Auftrag für ein gerichtliches Verfahren. Daher ist heute wohl auch einhellig anerkannt, dass dem Einreichen einer Schutzschrift ein Verfahrensauftrag nach Teil 3 VV zugrunde liegt, sodass durch das Betreiben des Geschäfts gem. Vorbem. 3 Abs. 2 VV eine Verfahrensgebühr ausgelöst wird.
2. Einzelauftrag
Rz. 24
Wird dem Anwalt nur der Auftrag zur Einreichung einer Schutzschrift erteilt, wird ihm also nicht bereits der Auftrag erteilt, auch im eventuell folgenden Verfahren den Antragsteller zu vertreten, dann ist Nr. 3100 VV nicht anwendbar, da diese Vorschrift einen Auftrag für das Verfahren insgesamt voraussetzt. Bei einem auf das Einreichen der Schutzschrift beschränkten Auftrag liegt lediglich ein Auftrag zu einer Einzeltätigkeit vor, der nach Nr. 3403 VV zu vergüten ist.
Beispiel 1: Schutzschrift als Einzeltätigkeit ohne nachfolgendes Verfügungsverfahren
Der Anwalt erhält ausschließlich den Auftrag, eine Schutzschrift bei Gericht einzureichen, ohne dass ihm zugleich auch ein Vertretungsauftrag für das erwartete einstweilige Verfügungsverfahren erteilt wird (Gegenstandswert: 50.000,00 EUR). Der Anwalt reicht die Schutzschrift auftragsgemäß ein.
Da der Anwalt jetzt nur einen Einzelauftrag erhalten hat, steht ihm nur die 0,8-Verfahrensgebühr der Nr. 3403 VV zu.
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3403 VV |
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1.023,20 EUR |
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(Wert: 50.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.043,20 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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198,21 EUR |
Gesamt |
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1.241,41 EUR |
Rz. 25
Erledigt sich die Sache, sodass es nicht mehr zur Einreichung des Antrags kommt, reduziert sich die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3405 VV auf 0,5.
Beispiel 2: Schutzschrift als Einzeltätigkeit ohne nachfolgendes Verfügungsverfahren
Der Anwalt erhält ausschließlich den Auftrag, eine Schutzschrift bei Gericht einzureichen, ohne dass ihm zugleich auch ein Vertretungsauftrag für das erwartete einstweilige Verfügungsverfahren erteilt wird (Gegenstandswert: 50.000,00 EUR). Zur Einreichung der Schutzschrift kommt es nicht mehr, da der Gegner von seiner Abmahnung Abstand nimmt.
Auch hier liegt nur ein Einzelauftrag vor. Wegen der vorzeitigen Erledigung reduziert sich die Verfahrensgebühr jetzt nach Nr. 3405 VV auf 0,3.
1. |
0,3-Verfahrensgebühr, Nrn. 3403, 3405 VV |
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383,70 EUR |
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(Wert: 50.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
403,70 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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76,70 EUR |
Gesamt |
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480,40 EUR |
Rz. 26
Kommt es dann anschließend zum einstweiligen Verfügungsverfahren und wird dem Anwalt sodann der weitere Auftrag zur Vertretung in diesem Verfahren erteilt, entsteht die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, in der die Gebühr der Nr. 3403 VV aufgeht (§ 15 Abs. 6 RVG), sodass abzurechnen ist, als wäre von vornherein ein Gesamtauftrag erteilt worden.
Beispiel 3: Schutzschrift als Einzeltätigkeit mit nachfolgendem einstweiligen Verfügungsverfahren
Der Anwalt erhält zunächst ausschließlich den Auftrag, eine Schutzschrift bei Gericht einzureichen, ohne dass ihm zugleich auch ein Vertretungsauftrag für das erwartete einstweilige Verfügungsverfahren erteilt wird (Gegenstandswert: 50.000,00 EUR). Der Anwalt reicht die Schutzschrift auftragsgemäß ein. Nachdem das Gericht ungeachtet der Schutzschrift die einstweilige Verfügung erlässt, erhält er den Auftrag, den Antragsgegner im Verfahren zu vertreten und Widerspruch einzulegen.
Für das Einreichen einer Schutzschrift ist zunächst die 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV entstanden. Mit dem Vertretungsauftrag entsteht jetzt die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Allerdings muss sich der Anwalt die bereits verdiente Vergütung anr...