1. Überblick
Rz. 171
Ein sog. Abschlussschreiben, also ein Schreiben, mit dem der Rechtsanwalt den Antragsgegner nach Erlass einer einstweiligen Verfügung auffordert, den Verfügungsanspruch anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, zählt nicht mehr zur Gebühreninstanz des Verfügungsverfahrens. Diese Tätigkeit betrifft vielmehr die Hauptsache. Wie abzurechnen ist, hängt davon ab, ob insoweit ein Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung vorlag oder ob bereits Klageauftrag erteilt worden war.
Rz. 172
Hatte der Anwalt bereits Klageauftrag zur Hauptsache, dann zählt das Abschlussschreiben als Vorbereitungshandlung bereits zur Instanz (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG), also zur Hauptsacheklage, sodass er durch das Abschlussschreiben eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV verdient.
Rz. 173
Hat der Anwalt noch keinen Klageauftrag, so löst das Abschlussschreiben eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus.
2. Noch kein Auftrag zur Hauptsacheklage
a) Abrechnung
Rz. 174
Hat der Anwalt noch keinen Klageauftrag, so löst das Abschlussschreiben eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus. In aller Regel ist ein Abschlussschreiben mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zu vergüten. Eine 0,3-Gebühr nach Nr. 2302 VV scheidet grundsätzlich aus.
Diese Gebühr ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV zur Hälfte, höchstens mit 0,75 auf ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren anzurechnen.
Beispiel 95: Außergerichtliches Abschlussschreiben nach Verfügungsverfahren
Nach Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 7.500,00 EUR), die der Anwalt für seinen Mandanten im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung erwirkt hat, fordert er auftragsgemäß den Antragsgegner außergerichtlich auf, den Verfügungsanspruch (Hauptsachewert: 30.000,00 EUR) anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, was dann auch geschieht.
Für das Verfügungsverfahren entsteht die Gebühr nach Nr. 3100 VV aus dem Wert von 7.500,00 EUR. Für die außergerichtliche Vertretung entsteht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus dem Wert der Hauptsache, also aus 30.000,00 EUR. Hier soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Eine Anrechnung ist nicht vorgesehen.
I. |
Verfügungsverfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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652,60 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
672,60 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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127,79 EUR |
Gesamt |
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800,39 EUR |
II. |
Abschlussschreiben |
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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1.432,50 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.452,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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275,98 EUR |
Gesamt |
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1.728,48 EUR |
b) Abschlussschreiben nach vorheriger Abmahnung
Rz. 175
Wenig Beachtung findet die Frage, wie sich das Abschlussschreiben zur Abmahnung verhält. Beides sind außergerichtliche Tätigkeiten, die eine Geschäftsgebühr auslösen. In beiden Fällen ist der Gegenstand derselbe, nämlich der Hauptsacheanspruch. Daher ist insoweit von derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG auszugehen. Mit dem Abschlussschreiben wird die außergerichtliche Vertretung hinsichtlich der Hauptsache wieder aufgenommen und dem Verfügungsgegner nochmals Gelegenheit gegeben, die Sache ohne Hauptsacheprozess aus der Welt zu schaffen. Bei dem Abschlussschreiben handelt es sich folglich nicht um einen neuen Auftrag, sondern nur um den Auftrag, in der Hauptsache weiter tätig zu werden. Die Gebühren entstehen daher nicht erneut (§ 15 Abs. 5 S. 1 RVG). Allerdings wird das Abschlussschreiben dazu führen, dass sich der Gebührensatz der außergerichtlichen Vertretung erhöht.
Beispiel 96: Außergerichtliches Abschlussschreiben nach Abmahnung und Verfügungsverfahren
Der Anwalt mahnt den Gegner zunächst ab (Wert der Hauptsache: 30.000,00 EUR). Da der Gegner nicht reagiert, beantragt der Anwalt den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 7.500,00 EUR), die der Anwalt für seinen Mandanten im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung erwirkt. Hiernach fordert er auftragsgemäß den Antragsgegner außergerichtlich auf, den Verfügungsanspruch anzuerkennen und auf seine Rechte gegen die Verfügung zu verzichten, was dann auch geschieht.
Für das Verfügungsverfahren entsteht die Gebühr nach Nr. 3100 VV aus dem Wert von 7.500,00 EUR. Für die Abmahnung ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV aus dem Wert der Hauptsache, also aus 30.000,00 EUR entstanden. Hier soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden. Durch die Wiederaufnahme der außergerichtlichen Vertretung entsteht keine weitere Geschäftsgebühr....