Rz. 11
Das Versäumnisverfahren wird immer dann durchgeführt, wenn eine der Prozessparteien säumig ist, d.h. sich nicht ausreichend auf das geführte Verfahren einlässt. Das Versäumnisverfahren unterliegt keinen besonderen Verfahrensregeln. Es führt zum Versäumnisurteil.
I. Säumnis
Rz. 12
Das Versäumnisurteil kann nur ergehen, wenn eine der beiden Parteien säumig ist. Unter Säumnis versteht man die nicht ordnungsgemäße Prozessführung in Form der Nichtbeachtung gerichtlich gesetzter Fristen oder der Missachtung von ordnungsgemäß zugestellten Ladungen. Säumnis kommt im Wesentlichen in zwei Konstellationen vor:
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Die beklagte Partei kündigt innerhalb der richterlichen Fristsetzung im schriftlichen Vorverfahren ihre Verteidigungsbereitschaft nicht an. |
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Eine Partei kündigt zwar ihre Verteidigungsbereitschaft an, erscheint jedoch nicht im Termin, ist trotz Anwaltszwangs im Termin nicht anwaltlich vertreten oder tritt trotz Anwesenheit nicht auf, d.h. sie stellt die schriftsätzlich angekündigten Anträge nicht. |
II. Antrag
Rz. 13
Ein Versäumnisurteil kann nur ergehen, wenn es beantragt wird. Einen solchen Antrag sollte bereits die Klageschrift enthalten, da das Gericht dann im schriftlichen Vorverfahren ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann. wenn der Klagegegner keine Verteidigungsbereitschaft ankündigt. Stellt die nicht säumige Partei im Fall der Säumnis des Gegners einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils, so prüft das Gericht zunächst, ob tatsächlich ein Fall der Säumnis vorliegt. Dies ist bspw. dann nicht der Fall, wenn die Ladung zum Termin oder die Fristsetzung nicht ordnungsgemäß erfolgt oder die Klageschrift nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist.
1. Säumnis des Klägers
Rz. 14
Bejaht das Gericht das Vorliegen einer Säumnis, so hat es im Fall der Säumnis des Klägers auf Antrag des Beklagten die Klage abzuweisen (§ 330 ZPO), ohne dass eine Prüfung in der Sache erfolgte.
Rz. 15
Anders ist es, wenn der Kläger die Klage nicht begründet hat. In diesem Fall erfolgt die Entscheidung durch ein normales streitiges Urteil, weil ansonsten der Kläger durch die Möglichkeit des Einspruchs bessergestellt wäre als bei einem streitigen Verfahren.
2. Säumnis des Beklagten
Rz. 16
Beantragt der Kläger gegen den säumigen Beklagten ein Versäumnisurteil, so hat das Gericht die Schlüssigkeit der Klage zu prüfen, d.h. es hat zu untersuchen, ob die vom Kläger behaupteten Tatsachen den mit dem Klageantrag geltend gemachten Anspruch tragen. Wesentlich ist, dass das vom Kläger Vorgetragene als zugestanden gilt, § 331 Abs. 1 ZPO. Etwaiges Gegenvorbringen des Beklagten wird nicht beachtet. Kommt das Gericht bei dieser Prüfung dazu, die Klage als schlüssig zu erachten, so erlässt es das beantragte Versäumnisurteil. Das Versäumnisurteil kann sich auch lediglich auf einen Teil des klägerischen Anspruchs beziehen, d.h. als Teilversäumnisurteil ergehen.
III. Unechtes Versäumnisurteil
Rz. 17
Ist das Gericht der Meinung, dass die Klage nicht schlüssig ist, und besteht der Kläger gleichwohl auf Erlass eines Versäumnisurteils, so ergeht ein die Klage abweisendes Urteil. Ein solches Urteil ist dann ein sog. unechtes Versäumnisurteil. Unecht ist es deshalb, weil es nicht Folge der Säumnis der beklagten Partei, sondern der Sachprüfung des Gerichts ist.
Ist die Klage nur teilweise schlüssig, spricht das Gericht die Klage im Wege des Versäumnisurteils hinsichtlich des schlüssigen Teils zu. Hinsichtlich des nicht schlüssigen Teils ergeht ein klageabweisendes unechtes Versäumnisurteil.
IV. Form
Rz. 18
Anders als das streitige Endurteil wird das Versäumnisurteil weder begründet noch enthält es einen Tatbestand. Es besteht in der Regel lediglich aus einer Seite, die Rubrum und Tenor enthält. Eine Begründung, die für eine Vollstreckung des Urteils im Ausland häufig erforderlich ist, kann jedoch beantragt werden. Das Versäumnisurteil unterscheidet sich vom streitigen Urteil auch insofern, als der Tenor die Entscheidung enthält, dass die vorläufige Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung erfolgen darf, § 708 Nr. 2 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis wird nicht ausgesprochen, es sei denn, dies wird später vom Beklagten beantragt.
V. Rechtsbehelfe
Rz. 19
Sind Endurteile mit den Rechtsmitteln der Berufung oder Revision angreifbar, sieht das Gesetz gegen Versäumnisurteile lediglich den innerhalb von zwei Wochen einzulegenden Einspruch vor (§§ 338, 339 ZPO). Er führt im Gegensatz zu den Rechtsmitteln Berufung und Revision nicht dazu, dass das Verfahren in eine höhere Instanz verlagert wird, sondern bewirkt lediglich, dass das Verfahren in der gleichen Instanz wiederaufgenommen und weitergeführt wird.
Dies bedeutet, dass der gleiche Richter, der das Versäumnisurteil erlassen hat, erneut mit der Sache befasst wird und nunmehr in der Regel im streitigen Verfahren über sie entscheiden muss.
Rz. 20
Muster 1: Einspruchsschrift
Muster: Einspruchsschrift
An das
Amtsgericht Westerburg
Wörthstr. 14
56457 Westerburg
In dem Rechtsstreit
Müller ./. Meier
Aktenzeichen: 24 C 396/19
lege ich gegen das am 13.8.2019 ergangene Versäumnisurteil
Einspruch
ein. Eine Begründung folgt mit gesondertem S...