Rz. 54
Sinn und Zweck des Ehegattentestaments ist es u.a., die gemeinschaftlichen Verfügungen auch wechselbezüglich anordnen zu können und dass diese ggf. nach dem Tod des Erstversterbenden gemäß § 2270 Abs. 2 BGB Bindungswirkung entfalten.
Eine Bindungswirkung kann jedoch nur hinsichtlich der in § 2270 Abs. 3 BGB genannten Verfügungen entstehen: Gemäß § 2270 Abs. 3 BGB beschränkt sich die Wechselbezüglichkeit nämlich auf die Erbeinsetzung, das Vermächtnis, die Auflage und das anzuwendende Recht. Man spricht insoweit auch von einer Wechselbezugsfähigkeit.
Nicht wechselbezüglich können daher die Anordnung einer (echten) Teilungsanordnung ohne Wertverschiebung, die Enterbung, die Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff. BGB) oder die Bestimmung eines Testamentsvollstreckers sein, wobei die nachträgliche Anordnung einer Testamentsvollstreckung oder die Erweiterung dessen Befugnisse nach h.M. eine Beeinträchtigung der Schlusserbenstellung darstellt.
Rz. 55
Wechselbezüglichkeit bedeutet, dass einzelne Anordnungen in ihrer Gültigkeit voneinander abhängen. Das heißt, dass eine Verfügung nur mit Rücksicht auf eine andere Verfügung getroffen wurde. Man spricht insoweit auch von einem zusammenhängenden Motiv dergestalt, dass die Verfügung des einen Ehepartners nur getroffen wurden, weil der andere Ehepartner ebenfalls auf bestimmte Weise verfügt hat. Eine entgegenstehende weitere Verfügung von Todes wegen führt zur von selbst eintretenden Unwirksamkeit, die normalerweise nur durch Anfechtung (§ 2078 Abs. 2 BGB) erreicht werden könnte. Aus § 2270 Abs. 1 BGB folgt insoweit auch, dass die Nichtigkeit oder der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung die Unwirksamkeit der jeweils anderen Verfügung zur Folge hat.
Rz. 56
Da es sich bei § 2270 Abs. 2 BGB um eine Auslegungsregel handelt, ist es für die testamentarische Gestaltung unabdingbar, dass die Frage der Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung ausdrücklich thematisiert wird, damit es durch spätere Auslegung nicht zu einem vom Erblasserwillen abweichenden Ergebnis kommt. Ein Erfahrungssatz, wonach bei der Einsetzung gemeinschaftlicher Kinder zu Schlusserben der überlebende Ehepartner ein Änderungsrecht hat, besteht grundsätzlich nicht. Vielmehr wird bei intakten Familienverhältnissen wie oben ausgeführt von einer Wechselbezüglichkeit ausgegangen. Auch die Formulierung, der Längstlebende könne "über den beiderseitigen Nachlass frei verfügen", kann nach Auffassung der Rechtsprechung nur eine lebzeitige Verfügungsfreiheit darstellen und keine Änderungsmöglichkeit bezüglich einer wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung.