a) In Bezug auf die jeweilige Verfügung
Rz. 57
Da nur eine einzelne Verfügung mit jeweils einer oder mehreren anderen Verfügungen wechselbezüglich sein kann, ist grundsätzlich eine genaue Formulierung in der Verfügung von Todes wegen anzuraten. Wollen die Ehegatten, dass sämtliche der von ihnen getroffenen Verfügungen wechselbezüglich und bindend sind, dann bietet sich folgender Formulierungsvorschlag an:
Rz. 58
Muster 19.10: Anordnung der Wechselbezüglichkeit hinsichtlich aller Verfügungen
Muster 19.10: Anordnung der Wechselbezüglichkeit hinsichtlich aller Verfügungen
Die in unserem Testament getroffenen Verfügungen des Ehemannes und der Ehefrau sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall sollen hinsichtlich der Erbeinsetzung, der Vermächtnisse und Auflagen insgesamt wechselbezüglich und daher bindend sein.
Rz. 59
Sollen dagegen nur einzelne Verfügungen wechselbezüglich und bindend sein, ist darauf zu achten, dass genau angegeben wird, welche Verfügung des jeweiligen Ehepartners (Erbeinsetzung, Auflage, Vermächtnis) in Bezug auf den ersten Todesfall und welche in Bezug auf den zweiten Todesfall wechselbezüglich und bindend sein soll.
Rz. 60
Im Regelfall wird davon ausgegangen, dass sowohl die Verfügungen des Mannes als auch die Verfügungen der Ehefrau wechselbezüglich und bindend sein sollen. Es ist aber auch durchaus möglich, dass sich die Wechselbezüglichkeit nur auf die Verfügungen eines Ehegatten bezieht, d.h. also nur die Verfügung des einen Ehepartners soll von der Wirksamkeit des anderen abhängig sein. In der Praxis ist eine solche Gestaltungsvariante dann interessant, wenn das Vermögen einseitig von nur einem Ehegatten stammt. Dieser hat dann ein Interesse daran, dass der überlebende Ehegatte im Falle seines Todes an die Verfügungen gebunden ist. Umgekehrt: Wenn der nicht vermögende Ehegatte zuerst verstirbt, dann ist eine Bindung des Überlebenden im Regelfall nicht befriedigend, weil der Vorverstorbene dem Überlebenden nichts zukommen lässt, dieser aber dennoch in seiner Gestaltungsfreiheit nach seinem Ableben eingeschränkt wird.
b) In Bezug auf die Bedachten
Rz. 61
Strittig ist in Literatur und Rechtsprechung die Frage, ob sich die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen auch auf die gemäß § 2069 BGB ermittelten Ersatzerben erstreckt. Das BayObLG hatte dies in seiner Entscheidung vom 1.8.1994 bejaht.Baumann vertritt dagegen die Auffassung, dass sich die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen nur dann auf die nach § 2069 BGB ermittelten Ersatzerben erstreckt, wenn sich dies dem Erblasserwillen entnehmen lässt. Der BGH hat es abgelehnt, die Wechselbezüglichkeit auch auf nach § 2069 BGB vermutete Ersatzerben zu erstrecken, zumindest, wenn sich kein entsprechender Wille der Testierenden ermitteln lasse. Dem ist auch das BayObLG und das OLG Hamm gefolgt.
Wie bereits ausgeführt, sollte der Gestalter die Frage der Ersatzerbenberufung im Testament immer ausdrücklich (positiv oder negativ) regeln und sich nicht auf die Auslegungsvorschrift des § 2069 BGB und die dazugehörige Rechtsprechung verlassen. Bei der Bestimmung der Wechselbezüglichkeit sollte dann auch ausdrücklich bestimmt werden, ob sich diese auch auf die Ersatzerben erstreckt. Bei ordnungsgemäßer Beratung kommt es dann nicht zu der angesprochenen Problematik.
c) In Bezug auf das Vermögen
Rz. 62
Zu beachten gilt es, dass sich die Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung bei der gegenseitigen Erbeinsetzung und einer sich daran anknüpfenden Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder grundsätzlich auf das gesamte Vermögen des überlebenden Ehepartners erstreckt, und zwar unabhängig davon, ob er es geerbt oder selbst erwirtschaftet hat.
Kommt es zwischen dem ersten und dem zweiten Erbfall zu einem unvorhergesehenen Vermögenszuwachs beim überlebenden Ehepartner, kann unter Umständen im Wege der Auslegung eine Abänderungsbefugnis hinsichtlich dieser Vermögenswerte angenommen werden. So hat das OLG München bspw. in einem Fall, in dem der überlebende Ehepartner nach dem Ableben des Erstversterbenden erhebliches Vermögen von seiner Verwandtschaft geerbt hat, angenommen, dass der überlebende Ehepartner hierüber im Wege des Vermächtnisses neu testieren kann.
Sofern die Ehepartner eine solche Abänderungsbefugnis nicht wollen, sollte eine ausdrückliche Klarstellung in der letztwilligen Verfügung dahingehend erfolgen, dass eine solche Abänderungsbefugnis auch bei einem wesentlichen Vermögenszuwachs nicht besteht.