Rz. 28
Diskutiert wird im Zusammenhang mit der Ausnutzung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge auch das sog. Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB), welches es dem überlebenden Ehepartner erlaubt, den Gegenstand des Vermächtnisses, den Zeitpunkt der Erfüllung und die Auswahl des Begünstigten aus dem Kreise der Schlusserben zur Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge zu bestimmen. Diese auch zivilrechtlich nicht unproblematische Art der Gestaltung geht zurück auf einen Vorschlag von Schmidt, den Langenfeld unter der Bezeichnung "Supervermächtnis" wieder aufgegriffen hat.
Das Zweckvermächtnis wird konkret so ausgestaltet, dass es durch Kombination mit einem Bestimmungsvermächtnis (§ 2151 BGB) dem überlebenden Ehepartner unter Berücksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses erlaubt, die Höhe der Zuwendung sowie die Person und den Zeitpunkt der Leistung (§ 2181 BGB) zu bestimmen. Diese Kombination von vermächtnisweisen Drittbestimmungsrechten wird grundsätzlich als zulässig angesehen.
Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob bei der von Langenfeld vorgeschlagenen Formulierung § 6 Abs. 4 ErbStG Anwendung findet mit der Folge, dass der Vermächtnisnehmer nicht im Verhältnis zum Erstversterbenden, sondern zum überlebenden Ehepartner versteuert wird.
Rz. 29
Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass unter Anwendung der Vermutungsregel des § 2181 BGB die Vorschrift des § 6 Abs. 4 ErbStG Anwendung findet, wenn der Erblasser den Zeitpunkt in das Belieben des überlebenden Ehegatten gestellt hat. Dies soll auch dann gelten, wenn der überlebende Ehepartner das Vermächtnis vorher bestimmt hat, da nach § 2181 BGB vermutet wird, dass das Vermächtnis mit dem Tod des Überlebenden fällig wird und der Schuldner nach § 271 Abs. 2 BGB zwar vorher leisten kann, dies aber keinen Einfluss auf die Fälligkeit selbst hat.Ebeling vertritt hingegen die Auffassung, dass dies unerheblich ist, wenn der Schuldner das Vermächtnis noch zu seinen Lebzeiten erfüllt, was im Hinblick auf § 271 Abs. 2 BGB nicht haltbar erscheint.
Rz. 30
Die im Vordringen befindliche Meinung geht daher zutreffend von einer Anwendung des § 6 Abs. 4 ErbStG aus, wenn der Fälligkeitszeitpunkt ins Belieben des überlebenden Ehepartners gestellt ist, so dass im Sinne einer sichereren Gestaltung ein nach dem Kalender bestimmbarer Auffangtermin bestimmt werden sollte, auch wenn es sich bei § 2181 BGB nur um eine Vermutungsregel handelt. Insoweit wird auch empfohlen, die Anwendung des § 2181 BGB auszuschließen.
Die Problematik erscheint insoweit auch eher akademischer Natur, denn letztendlich hat es der überlebende Ehepartner ja selbst in der Hand, wie hoch er die Vermächtnisse ansetzt, so dass die Gefahr eines ungewollten Liquiditätsabflusses auch dann nicht besteht, wenn als Fälligkeitszeitpunkt ein Zeitpunkt kurz nach dem Erbfall bestimmt wird.
Rz. 31
Der Fälligkeitszeitpunkt sollte sinnvollerweise so bestimmt werden, dass der überlebende Ehepartner ihn statistisch erlebt, um nicht in die Problematik des § 42 AO zu gelangen.
Im Übrigen wird in der Tatsache, dass hier durch die Nutzung der Vorschriften des BGB eine steuergünstige Verteilung vorgenommen wird, kein Missbrauch im Sinne des § 42 AO gesehen. Höchstrichterliche Rechtsprechung existiert jedoch bis heute dazu nicht.
In der zivilrechtlichen Literatur ist allerdings die Frage aufgeworfen worden, ob allein in der Ausnutzung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge ein hinreichender Zweck im Sinne des § 2156 BGB gesehen werden kann. Keim schlägt daher vor, dass der Zweck des Bestimmungsvermächtnisses nicht nur die Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge, sondern auch der Ausgleich für die Enterbung und den Ausschluss der Kinder von der Erbfolge im ersten Erbfall sein sollte.
Vgl. den neuen Formulierungsvorschlag von Keim, ZEV 2016, 6.