I. Allgemeines
Rz. 5
Gesetzlich geregelt ist in § 2269 BGB das gemeinschaftliche Testament in Form der gegenseitigen Vollerbeneinsetzung ("Berliner Testament"). Insoweit spricht man auch von der "Einheitslösung", weil das Vermögen beider Ehepartner aus einem Berufungsgrund an den Erben übergeht. Die Bezeichnung "Berliner Testament" kann als Überbegriff sowohl für die Einheitslösung als auch für die Trennungslösung verwendet werden, bei der der überlebende Ehepartner nur Vorerbe wird.
Rz. 6
Bei der Erstellung eines Ehegattentestaments bieten sich drei Gestaltungsmöglichkeiten an:
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die Einheitslösung, bei der der überlebende Ehepartner Vollerbe wird und im Schlusserbfall meist die gemeinsamen Kinder zu Erben bestimmt werden (Standardtyp), |
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die Trennungslösung, bei der der überlebende Ehegatte nur Vorerbe und die gemeinsamen Kinder oder Dritte zu Nacherben bestimmt werden und |
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die Nießbrauchslösung, bei der die gemeinsamen Kinder oder ein Dritter zum Erben bestimmt und zugunsten des überlebenden Ehegatten vermächtnisweise der Nießbrauch am Nachlass oder an einzelnen Nachlassgegenständen bestellt wird. |
Je nach Sachverhalt bietet sich die eine oder andere Lösung an, wobei immer der Wille der Erblasser an erster Stelle stehen sollte. Der Berater darf also nicht vorschnell von der ihm bekannten Konstellation auf einen bestimmen Testamentstypus schließen.
Rz. 7
Haben die Ehegatten jeweils Kinder aus ersten Ehen, so liegt es zwar grundsätzlich nahe, hier die Vor- und Nacherbschaft (Trennungslösung) zu wählen, damit die Kinder aus erster Ehe nicht am Vermögen des zuerst versterbenden Ehegatten (im Falle einer Pflichtteilsgeltendmachung) partizipieren. Dies muss jedoch nicht immer dem Willen der Erblasser entsprechen. Teilweise wollen Ehegatten die Kinder aus erster Ehe wie eigene gemeinsame Kinder behandeln.
II. Die Vollerbenlösung (Einheitslösung)
1. Die gegenseitige Erbeinsetzung
a) Allgemeines
Rz. 8
Bei der "Vollerbenlösung" setzen sich Ehegatten für den ersten Todesfall gegenseitig zu alleinigen Vollerben ein (Berliner Testament, § 2269 BGB). Bei der sog. Einheitslösung geht das Vermögen des erstversterbenden Ehepartners in das Vermögen des Überlebenden über und bildet dann mit dem Eigenvermögen des Überlebenden eine einheitliche Vermögensmasse. In der Verfügung für den zweiten Todesfall wird bestimmt, an wen das einheitliche Vermögen nach dem Tod des überlebenden Ehegatten fließt.
Rz. 9
Auch wenn die Schlusserbenregelung nicht explizit angeordnet sein muss und sich auch durch Auslegung ergeben kann, sollte eine ausdrückliche Bestimmung aufgenommen werden oder, wenn keine gemeinsame Schlusserbeneinsetzung gewollt ist, eine ausdrückliche Klarstellung erfolgen. So hat bspw. das OG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 3.8.2018 eine konkludente Schlusserbeneinsetzung der Kinder angenommen in einem Fall, in dem das gemeinschaftliche Testament eine Pflichtteilsstrafklausel enthielt und eine umfangreiche Regelung für den Fall des plötzlichen Versterbens beider Ehepartner.
Rz. 10
Ferner sollte darauf geachtet werden, dass die Schlusserbenbestimmung vollständig ist und nicht etwa nur eine Zuwendung des wesentlichen Nachlassgegenstandes an einen Abkömmling erfolgt. Auch sollte die Größe der Erbteile der Schlusserben nicht fehlen, wobei nach § 2091 BGB mehrere Erben zu gleichen Teilen eingesetzt sind, sofern sich durch Auslegung nichts anderes ergibt. Nach Möglichkeit sollten die Ehepartner auch die Schlusserben namentlich benennen und nicht nur den Begriff "Kinder" als Bezeichnung bzw. Bestimmung verwenden, da dies bspw. in Kombination mit einer Pflichtteilsklausel so ausgelegt werden kann, dass nur die Kinder Schlusserben sind, denen ein Pflichtteilsrecht zu beiden Ehepartnern zusteht.
b) Die Vermutungsregel des § 2269 BGB
Rz. 11
Nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB wird "im Zweifel" von einer Vollerbeneinsetzung des Überlebenden ausgegangen, wenn die Ehegatten sich in ihrem Testament gegenseitig als Erben eingesetzt und bestimmt haben, dass nach dem Tod des Überlebenden der Nachlass an einen Dritten fallen soll. Der Gesetzgeber hat dabei erwogen, dass Ehepartner grundsätzlich ihr Vermögen als einheitliches ansehen. Verfügen Ehepartner, dass der überlebende Ehepartner uneingeschränkten Zugriff auf das Vermögen haben soll und danach die Angehörigen berechtigt sein sollen zu erben, handelt es sich um eine Schlusserbeneinsetzung im Sinne des § 2269 BGB. Da es in diesem Bereich zu den unterschiedlichsten...