I. Allgemeines
Rz. 84
Im Rahmen der Beratung und Gestaltung eines Ehegattentestaments ist grundsätzlich auch der Fall einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten zu bedenken. Nicht selten ist dies ein Problem, das gerade jüngere Ehegatten geregelt wissen wollen. Von Seiten des Beraters ist hierauf auch an der entsprechenden Stelle einzugehen, und zwar unabhängig davon, ob die Mandanten den Eindruck hinterlassen, dass ein solcher Fall bei ihnen eintreten könnte oder nicht. Denn durch eine solche Wiederverheiratung würde nämlich ein weiterer Pflichtteilsberechtigter hinzutreten, dem im Falle des Todes des überlebenden Ehegatten ein Pflichtteilsanspruch zustünde. Die Ansprüche der Schlusserben würden dadurch gemindert, dass sich der Pflichtteil des neuen Ehepartners auch am Nachlass des zuerst Verstorbenen berechnet, zumindest dann, wenn sich die Ehepartner gegenseitig zu Vollerben eingesetzt haben (Einheitslösung).
Rz. 85
Die Wiederverheiratungsklausel soll im Allgemeinen dem Schutz der Schlusserben vor einer zusätzlichen Schmälerung des Nachlasses durch Hinzutreten eines weiteren pflichtteilsberechtigten Ehegatten dienen. Das, was die Ehegatten den Schlusserben, meistens den eigenen Kindern, zugedacht haben, soll ihnen auch letztendlich zukommen. Wiederverheiratungsklauseln dienen daher dazu, das Vermögen für die gemeinsamen Abkömmlinge zu erhalten. Wie Völzmann darauf hinweist, sollten sie daher auch nicht als Strafklauseln verstanden werden.
Zu klären ist in diesem Zusammenhang auch, ob die Wiederverheiratungsklausel auch den Fall des Eingehens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erfassen soll, was bspw. das OLG Düsseldorf abgelehnt hat.
Rz. 86
In der Literatur werden im Wesentlichen drei Varianten von Wiederverheiratungs-Klauseln diskutiert:
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einmal die Variante, dass der überlebende Ehepartner den gesamten Nachlass an die Abkömmlinge herausgeben muss (konstruktiver Vor- und Nacherbschaft) |
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dann die sogenannte Vermächtnislösung, wonach den Abkömmlingen vermächtnisweise Nachlassvermögen zugeteilt wird |
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und die Variante, dass der Ehepartner sich mit den Abkömmlingen nach der gesetzlichen Erbfolge auseinander zu setzen hat. |
Rz. 87
Im Rahmen der Anordnung einer Wiederverheiratungsklausel wird insbesondere seit der Hohenzollern-Entscheidung intensiv die Frage der Sittenwidrigkeit von Wiederverheiratungsklauseln diskutiert. Auf dem Prüfstand steht die Wiederverheiratungsklausel insoweit, als darauf zu achten ist, dass durch sie kein unzulässiger Druck auf die nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit ausgeübt wird. So wird von einer Unwirksamkeit ausgegangen, wenn die Wiederverheiratungsklausel dazu führt, dass der überlebende Ehepartner das gesamte Erbe verliert und nicht einmal Vermögen in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs behält. So hat das OLG Saarbrücken entschieden, dass ein Vermächtnis nichtig ist, welches vorsieht, dass der überlebende Ehepartner den Nachlass des zuerst Verstorbenen im Falle der Wiederverheiratung insgesamt an die Abkömmlinge herausgeben muss. Nach Auffassung des OLG Saarbrücken war in dem genannten Fall aber zu prüfen, ob im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung das Herausgabevermächtnis unter Abzug des dem überlebenden Ehepartner zustehenden Pflichtteil weiter besteht.
Von einer Sittenwidrigkeit ist auch auszugehen, wenn im Fall der Wiederverheiratung der Nacherbfall eintritt und der überlebende Ehepartner als Vorerbe den gesamten Nachlass an den Nacherben herausgeben muss.J. Mayer weist in diesem Fall zurecht darauf hin, dass der überlebende Ehepartner sein Pflichtteilsrecht verliert, weil er die Erbschaftsannahme nicht mehr anfechten kann.
Rz. 88
Es wird daher empfohlen, im Fall der Wiederverheiratung dem überlebenden Ehepartner in jedem Fall seinen Pflichtteil zu belassen, teilweise wird auch vertreten, dass dem Überlebenden der gesetzliche Erbteil verbleiben sollte. Eine pauschale Richtlinie wird es in diesem Bereich aber nicht geben. Vielmehr sollte der Gestalter einerseits darauf achten, dass es eine ausgewogene Regelung ist und dass dabei die Interessen, insbesondere die wirtschaftliche Position des Ehepartners und auch seine Einflussmöglichkeiten hinreichend berücksichtigt werden.
Rz. 89
Andererseits müssen auch die Interessen der meist als Schlusserben bedachten Kinder beachtet werden, die vielleicht nach dem Erbfall auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen verzichtet haben. Berücksichtigt werden muss dabei auch der Zeitpunkt zu dem die Wiederverheiratung eintritt und die Frage, welchen Ertrag der überlebende Ehepartner bislang aus der Erbschaft ziehen konnte und was ihm noch zur Verfügung steht. Es wäre daher im Sinne einer ausgewogenen Lösung sinnvoll, wenn zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung der Nachlass zwischen dem überlebenden Ehepartner und den Kindern so aufgeteilt werden würde, wie es bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge der Fall gewesen wäre, allerdings unter Berücksich...