I. Allgemeines
Rz. 118
Die Anordnung von Pflichtteilsklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten wird im Zusammenhang mit der Enterbung der Abkömmlinge im ersten Erbfall diskutiert. Während bei der Einheitslösung der pflichtteilsberechtigte Abkömmling im ersten Erbfall enterbt ist, kann bei der Trennungslösung der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch nur verlangen, wenn er die Nacherbschaft ausschlägt (§ 2306 Abs. 2 BGB). Die Frist für die Ausschlagung beginnt in diesem Fall allerdings erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls, wobei aber darauf zu achten ist, dass die Verjährung des Pflichtteils mit Kenntnis des Erbfalls und der beeinträchtigenden Verfügung zu laufen beginnt.
Durch die Anordnung von Pflichtteilsklauseln soll der Abkömmling (Schlusserbe) davon abgehalten werden, nach dem Ableben des Erstversterbenden seinen Pflichtteilsanspruch durchzusetzen. Fehlen solche Pflichtteilsklauseln im gemeinschaftlichen Testament, dann läuft der überlebende Ehepartner Gefahr, dass die zu Schlusserben eingesetzten Abkömmlinge ohne Risiko des Verlustes ihrer Erbenstellung den Nachlass mit Zahlungsansprüchen belasten. In Ausnahmefällen kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Abkömmlinge unter der (stillschweigenden) Bedingung, dass sie ihren Pflichtteil nicht geltend machen, zu Schlusserben eingesetzt sind, darauf ankommen lassen darf es der Berater bei der Gestaltung von Testamenten allerdings nicht.
II. Sinn und Zweck von Pflichtteilsklauseln
Rz. 119
Eine zentrale Bedeutung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments haben daher die Pflichtteilsansprüche der zunächst weichenden Abkömmlinge (ggf. auch der Eltern), insbesondere dann, wenn sich die Ehepartner zu alleinigen unbeschränkten Vollerben einsetzen (Einheitslösung). In der Praxis versucht man, durch die Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklauseln der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen vorzubeugen. Ferner soll die Pflichtteilsklausel davor schützen, dass diejenigen Abkömmlinge, die einen Pflichtteil am Nachlass des Erstversterbenden nicht geltend gemacht haben, nicht dadurch benachteiligt werden, dass derjenige, der schon einen Pflichtteilsanspruch erhalten hat, noch einmal als Schlusserbe am Nachlass beteiligt wird und somit eine wirtschaftliche Besserstellung erfährt. Dies kann durch belohnende Vermächtnisse erfolgen, die gleichzeitig den Nachlass des überlebenden Ehepartners schmälern (Pflichtteilsstrafklausel).
Rz. 120
Fest steht, dass die Pflichtteilsklausel lediglich eine "Abschreckungsfunktion" hat, der Anspruch an sich dadurch nicht verhindert wird. Mit der Anordnung einer Pflichtteilsklausel kann dem Bedachten daher der Pflichtteil nicht genommen werden, die Zuwendung soll vielmehr hierauf beschränkt werden.
Hinweis
Wollen Ehegatten sichergehen, dass eine Belastung des Überlebenden mit Zahlungsansprüchen nicht erfolgt, so müssen sie mit ihren Abkömmlingen einen Pflichtteilsverzichtsvertrag schließen (§ 2346 Abs. 2 BGB). Ein solcher Pflichtteilsverzicht bietet sich aber auch zwischen den Ehepartnern an, damit auch von dieser Seite nach dem Eintritt des ersten Erbfalls kein Störfaktor für die gemeinsam testierte Vermögensnachfolge entsteht.
Rz. 121
An der Wirksamkeit von Pflichtteilsklauseln bestehen nach einhelliger Meinung keine Zweifel, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehegatten jeweils ihre Kinder aus ersten Ehen zu Schlusserben einsetzen und die Pflichtteilsklausel dazu führt, dass diejenigen Abkömmlinge, die nach dem Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil verlangen, im Schlusserbfall nichts mehr erhalten. Dem Erblasser steht es grundsätzlich frei, über sein Vermögen zu verfügen. Die Grenze bildet lediglich das Pflichtteilsrecht. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Klauseln:
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die so genannte Anrechnungsklausel, bei der der Schlusserbe sich seinen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch auf seine Erbquote im Schlusserbfall anrechnen lassen muss |
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die einfache Ausschlussklausel, bei der der Abkömmling auflösend bedingt zum Schlusserben bestimmt wurde, und |
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die so genannten Pflichtteilsstrafklauseln (Jastrow'sche Klausel), bei denen diejenigen Abkömmlinge, die im ersten Erbfall keine Pflichtteile verlangt haben, zusätzlich belohnende und den Nachlass des überlebenden Ehepartners reduzierende Vermächtnisse erhalten. |