1. Allgemeines
Rz. 91
Bei der Einheitslösung besteht im Unterschied zur Vor- u. Nacherbschaft keine Trennung zwischen dem Vermögen des erstversterbenden Ehepartners und dem Vermögen des noch lebenden Ehegatten. Die Vermögen beider Ehepartner bilden im Zeitpunkt des ersten Erbfalls eine einheitliche Vermögensmasse. Die richtige Gestaltung einer Wiederverheiratungsklausel bei der Einheitslösung ist mit dem Ziel der Aufteilung der Vermögensmassen exakt zu formulieren.
Formuliert man die Wiederverheiratungsklausel lediglich dahingehend, dass "im Falle der Wiederverheiratung der Nachlass des Erstversterbenden an die Schlusserben herauszugeben ist", dann wird dies von der h.M. so ausgelegt, dass der überlebende Ehegatte ab dem Tod des Erstversterbenden durch die Wiederheirat sowohl auflösend bedingter Vollerbe als auch aufschiebend bedingter Nacherbe ist. Diese Formulierung verwandelt somit die Einheitslösung in eine Trennungslösung. Auch wenn eine durch die Wiederheirat auflösend bedingte Vollerbschaft verbunden mit einer aufschiebend bedingten Nacherbschaft theoretisch möglich ist, sollte dies in der aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit möglichst vermieden werden.
Ob es sich hierbei aber um einen – wie Langenfeld meint – Gestaltungsfehler handelt, mag dahinstehen, da die Formulierung in jedem Fall einer systematischen Testamentsgestaltung widerspricht. Es bleibt nämlich bei einer solchen Umwandlung das Problem, dass die bis zur Wiederverheiratung getätigten Verfügungen als Vollerbe erfolgten, während ab diesem Zeitpunkt eine von Anfang an geltende (rückwirkende) Vorerbschaft angenommen wird. Lediglich das OLG Celle geht bislang davon aus, dass die Beschränkung der Vorerbschaft erst vom Zeitpunkt der Wiederverheiratung an besteht.
2. Das Wiederverheiratungsvermächtnis
Rz. 92
Wird die Wiederverheiratungsklausel durch Anordnung von aufschiebend bedingten Vermächtnissen gestaltet, so gibt dies einmal die Möglichkeit, den Umfang des Vermächtnisses genau festzulegen und andererseits bleibt so dem überlebenden Ehegatten, der Vollerbe bleibt, weitestgehende Verfügungsfreiheit. Bei der Wiederverheiratungsklausel im Falle der Einheitslösung ist demnach zu wählen zwischen der Form des Herausgabevermächtnisses und eines Wiederverheiratungsvermächtnisses. Das Herausgabevermächtnis kann sich hierbei auf den noch vorhandenen Rest des Nachlasses, eine bestimmte Quote in Geld, einen bestimmten Betrag oder auch auf einen bestimmten Nachlassgegenstand beziehen, wobei dann streng darauf geachtet werden sollte, dass dem überlebenden Ehepartner hinreichend Vermögen verbleibt, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Klausel aufgrund Sittenwidrigkeit unwirksam ist (vgl. Rdn 84 ff.).
Rz. 93
Daran zu denken wäre bspw., dass das aufschiebend bedingte Vermächtnis als Bestimmungsvermächtnis gestaltet wird und eine dritte (neutrale) Person im Zeitpunkt der Wiederverheiratung unter Abwägung der dann entstehenden Bedürfnisse und des dann noch vorhandenen Nachlasses eine Aufteilung durch Festlegung der Vermächtnisse vornimmt. Letztendlich ist auch zur Wahrung der Interessen der Abkömmlinge daran zu denken, dass der Vermächtnisanspruch mindestens dem Pflichtteil zum Zeitpunkt des Eintritts des ersten Erbfalls entsprechen sollte, oder es ist testamentarisch eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 202 Abs. 2 BGB anzuordnen.
Rz. 94
Zu beachten ist, dass das Vermächtnis sinnvollerweise bei Wiederverheiratung anfallen und kurz danach fällig sein sollte. Das Vermächtnis bis zum Tode des überlebenden Ehegatten zu stunden, ist nur dann zu empfehlen, wenn es beispielsweise durch Grundpfandrechte gesichert werden kann, da man ansonsten Gefahr läuft, dass das Vermögen in der neuen Ehe bis zum Tode des überlebenden Ehegatten verbraucht wird.
Für die Höhe des Nachlasses (Bestand und Wert), aus dem sich die Vermächtnisse berechnen, sollte immer der Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden zugrunde gelegt werden. Dies belastet zwar den überlebenden Ehegatten mehr, als wenn sich die Vermächtnisse aus dem Nachlass zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung bemessen würden, letztendlich vermeidet man damit aber vorhersehbare Streitigkeiten über Bestand und Wert des damaligen und jetzigen Nachlasses und schließlich hat der überlebende Ehepartner einen Teil des auf ihn entfallenden Nachlasses höchstwahrscheinlich schon verwertet.
Rz. 95
Muster 19.17: Wiederverheiratungsklausel in Form des Herausgabevermächtnisses
Muster 19.17: Wiederverheiratungsklausel in Form des Herausgabevermächtnisses