Rz. 122
Für das Auslösen der Pflichtteilsklausel ist es erforderlich, dass sowohl der subjektive als auch der objektive Tatbestand der Bedingung eintritt. Ersteres verlangt nach Ansicht der h.M., dass der Pflichtteilsberechtigte einen bewussten Verstoß gegen den Willen der Erblasser vornimmt. Dabei genügt aber die Kenntnis von der Pflichtteilsklausel, um den subjektiven Tatbestand zu erfüllen. Da aufgrund der Eröffnung und Bekanntgabe der Verfügungen von Todes wegen durch das Nachlassgericht die Beteiligten in der Regel umfassend informiert werden, sind die Fälle der Unkenntnis eher selten. Auslegungsschwierigkeiten entstehen in der Praxis vielmehr bei der Frage, wann der objektive Tatbestand der Bedingung erfüllt ist, wenn lediglich auf das Tatbestandsmerkmal der "Geltendmachung" abgestellt wird, ob dafür bspw. das reine Auskunftsverlangen ausreicht oder ob ein konkretes Zahlungsverlangen gestellt werden muss. Auch kann sich die Frage stellen, ob der objektive Tatbestand erst dann erfüllt ist, wenn der Pflichtteilsanspruch bezahlt wird.
Rz. 123
Bei der Formulierung der Pflichtteilsklausel sollte sich der Verfasser daher Gedanken machen, wie die Bedingung, die zur Enterbung im Schlusserbfall führt, zu formulieren ist bzw. welches Verhalten (objektiver Tatbestand) des Pflichtteilsberechtigten bereits die Enterbung auslösen soll. Soll tatsächlich bereits mit dem Auskunftsverlangen oder mit der Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs eine Geltendmachung des Pflichtteils vorliegen und die Pflichtteilsklausel auslösen?
Darüber hinaus kann fraglich sein, ob die reine Geltendmachung bereits in dem "Verlangen" zu sehen ist oder ob die Pflichtteilsklausel nicht so zu formulieren ist, dass der Pflichtteilsberechtigte diesen auch tatsächlich erhalten haben muss. Letzteres wird in der Regel gewollt sein, weil mit der Pflichtteilsklausel grundsätzlich nicht die Benachteiligung eines Abkömmlings erzielt werden soll, sondern nur der Schutz des überlebenden Ehegatten vor einem Vermögensabfluss und die Gleichbehandlung der Schlusserben.
Rz. 124
Im Hinblick auf den Schutzzweck zugunsten des überlebenden Ehegatten sollte eine Pflichtteilsklausel auch nur dann in Kraft treten, wenn der Pflichtteil gegen den Willen des Überlebenden verlangt wird. Denn die Rechtsprechung unterscheidet grundsätzlich nicht danach, ob ein "bewusster Ungehorsam" vorliegt, oder eine einvernehmliche Pflichtteilsforderung. Andererseits kann es "legitime" Gründe geben, die es im Interesse aller Beteiligten als gerechtfertigt erscheinen lassen, den Pflichtteil doch auszuzahlen, bspw. zur Ausnutzung von erbschaftsteuerlichen Freibeträgen oder aus Gründen, die im Vorhinein nicht absehbar sind. Insoweit gilt es zu beachten, dass der überlebende Ehepartner sich nicht einseitig im Einverständnis mit dem Pflichtteilsberechtigten über eine auflösend bedingte Schlusserbeneinsetzung hinwegsetzen kann, da mit dem Eintritt des ersten Erbfalls die Bindungswirkung des § 2271 BGB eingetreten ist. Auch sollte geklärt werden, ob bei einem späteren Abstandnehmen von der Geltendmachung an der eingetretenen Sanktion festgehalten werden soll, insbesondere dann, wenn die Schlusserbeneinsetzung für den überlebenden Ehepartner bindend ist und eine Rückgängigmachung der Enterbung dann ausscheiden würde.
Rz. 125
Weiterhin bleibt zu überlegen, ob die Enterbung im Schlusserbfall auch dann gelten soll, wenn der Schlusserbfall innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eintritt und der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil dann quasi nach dem Tod des überlebenden Ehegatten noch verlangen könnte und der Schutzzweck der Pflichtteilsklausel sich an sich erledigt hat. So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.7.2006 klargestellt, dass der Eintritt der auflösenden Bedingung auch nach dem Tod des überlebenden Ehepartners und auch noch nach der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs ausgelöst werden kann. Gerade vor dem Hintergrund, dass der BFH in seinem Urteil vom 19.2.2013 die Geltendmachung eines Pflichtteils durch den Schlusserben und die damit verbundene Begründung einer Nachlassverbindlichkeit in den Fällen als zulässig angesehen hat, in denen der Pflichtteil noch nicht verjährt war, sollte eine Enterbung in diesen Fällen nicht stattfinden. Es bietet sich daher an, die auflösende Bedingung zeitlich zu beschränken.
Das OLG München hat darüber hinaus in seinem Beschl. v. 29.1.2008 entschieden, dass ein Verlangen des Pflichtteils und die auflösende Bedingung auch dann eintreten, wenn der Berechtigte zuvor gegenüber dem Schuldner auf seinen Anspruch verzichtet hat. Gerade bei Kindern aus unterschiedlichen Beziehungen (Patchworkehe) ist in der Klausel klarzustellen, ob die auflösende Bedingung auch dann eintreten soll, wenn auch das nicht pflichtteilsberechtigte Kind den Anspruch fordert.
Zu bedenken bleibt auch, dass bei unterschiedlich hohen Pflichtteilsansprüchen der Abkömmlinge aufgrund a...