1. Allgemeines
Rz. 128
Die Anordnung einer Pflichtteilsklausel verstößt, wie bereits erwähnt, grundsätzlich nicht gegen die guten Sitten, und zwar auch dann nicht, wenn die Eheleute ihre Kinder aus vorangegangenen Ehen zu Schlusserben einsetzen und das Vermögen bei nur einem Ehepartner liegt. Bei der Einheitslösung besteht die Möglichkeit, unterschiedliche Pflichtteilsklauseln in das Testament aufzunehmen. So kann einmal die Bindungswirkung hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung aufgehoben werden, um dem überlebenden Ehepartner die Möglichkeit einer Abänderung zu geben. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der auflösend bedingten Schlusserbeneinsetzung oder der Ausgleich durch Anordnung von Vermächtnissen.
2. Wegfall von Wechselbezüglichkeit und einfacher Anrechnungsklausel
Rz. 129
Eine "milde" Pflichtteilsklausel ist die, mit der der Überlebende im Falle der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen von der Bindungswirkung befreit wird und so selbst entscheiden kann, ob er denjenigen, der den Pflichtteil geltend macht, von der Erbfolge ausschließt. Möglich ist auch eine Bestimmung, wonach sich der Pflichtteilsberechtigte im Falle einer Geltendmachung des Pflichtteils diesen im Schlusserbfall auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss – was letztlich ein Vermächtnis zugunsten der anderen Schlusserben darstellt. Zu berücksichtigen ist bei der einfachen Anrechnungsklausel, dass den Schlusserben durch die Belastung mit einem solchen (Voraus-) Vermächtnis die Möglichkeit der Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 BGB zusteht.
Rz. 130
Muster 19.26: Aufhebung der Bindungswirkung bei Pflichtteilsgeltendmachung
Muster 19.26: Aufhebung der Bindungswirkung bei Pflichtteilsgeltendmachung
Macht einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden entgegen dem Willen des Überlebenden seinen Pflichtteil geltend und erhält er ihn auch, dann entfällt die Bindungswirkung des überlebenden Ehegatten bezüglich der Verfügungen für den zweiten Todesfall (bezüglich des betreffenden Abkömmlings).
3. Die Ausschlussklausel
Rz. 131
Eine weitere Möglichkeit einer Pflichtteilsklausel ist die so genannte einfache Ausschlussklausel. Die Ehegatten bestimmen hier, dass im Falle der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs der Abkömmling im zweiten Todesfall enterbt ist (automatische Ausschlagungsklausel). Zu überlegen bleibt hier, ob die Enterbung (Bedingung) in allen Fällen der Geltendmachung oder nur dann eintreten soll, wenn der Pflichtteil entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten verlangt wird. Für Letzteres spricht die Tatsache, dass es bspw. aus erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein kann, dass die Abkömmlinge trotz gegenseitiger Erbeinsetzung der Eheleute zur Wahrung ihres Freibetrages den Pflichtteil fordern. Ferner sollte überlegt werden, ob bereits in dem Auskunftsverlangen oder der Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs der Tatbestand der Pflichtteilsklausel erfüllt sein soll. Ferner kann die automatische Ausschlussklausel dazu führen, dass der überlebende Ehepartner nach dem Tod des Erstversterbenden aufgrund einer möglichen bindenden Schlusserbeneinsetzung, die (automatische) Enterbung nicht mehr korrigieren kann. Als weitere Rechtsfolge sollte die Klausel eine Regelung beinhalten, ob im Falle der Enterbung eines Pflichtteilsberechtigten seine Abkömmlinge Ersatzerben werden oder ob eine Anwachsung (§ 2094 Abs. 1 BGB) eintreten soll. Wie oben unter Rdn 126 ausgeführt ist auch zu berücksichtigen, ob der Pflichtteil durch den Berechtigten selbst oder einen Dritten (z.B. Sozialhilfeträger) geltend gemacht wird.
Rz. 132
Muster 19.27: Einfache Pflichtteilsklausel
Muster 19.27: Einfache Pflichtteilsklausel
Verlangt einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil, Zusatzpflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch, dann ist er mit seinem ganzen Stamm sowohl für den ersten als auch für den zweiten Erbfall von der Erbfolge einschließlich aller angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen.
Die hier angeordnete auflösend bedingte Schlusserbeinsetzung wird in nicht wechselbezüglicher und bindender Weise getroffen, so dass der überlebende Ehegatte die Möglichkeit hat, die Enterbung für den Schlusserbfall zu widerrufen bzw. abzuändern. Er kann jedoch nur den Zustand wiederherstellen, der vor Eintritt der Enterbung bestanden hat. Er ist nicht berechtigt, eine ansonsten andere Schlusserbfolge anzuordnen.
Ein Pflichtteilsverlangen liegt vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch in einer den Verzug begründenden Weise geltend gemacht hat. Dem gleichgestellt ist der Fall, dass der Berechtigte einen Wertermittlungsanspruch geltend gemacht hat. Das bloße Auskunftsverlangen auf Vorlage eines Nachlassverzeichnisses führt hingegen nicht zum Eintritt der Bedingung und zu einer Enterbung im Schlusserbfall.
Wird der Pflichtteilsanspruch nach dem Tode des ...