Rz. 111

Problematisch ist die Frage, welche Rechtsfolgen die Wiederverheiratung und somit das Inkrafttreten einer Wiederverheiratungsklausel für die auf den Tod des Längstlebenden getroffenen Verfügungen hat. Nach einhelliger Meinung[192] wird, falls nichts Gegenteiliges angeordnet ist, davon ausgegangen, dass mit der Wiederverheiratung und dem Inkrafttreten einer Wiederverheiratungsklausel die Bindung des überlebenden Ehegatten an seine wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament entfällt, und zwar auch dann, wenn der überlebende Ehepartner Vermächtnisse in Höhe des gesetzlichen Erbteils am Nachlass des Zuerstverstorbenen auszuzahlen hat.[193]

 

Rz. 112

Fraglich ist aber, ob die Verfügung des überlebenden Ehegatten mit Eintritt der Wiederverheiratung von selbst unwirksam wird oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn eine neue Verfügung durch den überlebenden Ehegatten getroffen wird.

 

Rz. 113

Das OLG Hamm[194] hat dies in seinem Beschl. v. 23.6.1994 bejaht. Musielak vertritt dagegen die Ansicht, eine automatische Unwirksamkeit könne auch in diesem Falle nur dann vorausgesetzt werden, wenn diese im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werde.[195]

 

Rz. 114

Um hier Streitigkeiten vorzubeugen, ist es sinnvoll, in der Wiederverheiratungsklausel zu regeln, was mit den wechselbezüglichen und bindenden Verfügungen des überlebenden Ehegatten bezüglich des eigenen Todesfalls mit Eintritt der Wiederverheiratung geschehen soll, wobei die Entscheidung je nach Einzelfall und je nach gewählter Wiederverheiratungsklausel unterschiedlich zu beurteilen ist.

 

Rz. 115

So ist es sinnvoll, die Bindungswirkung entfallen zu lassen, wenn die Abkömmlinge mit Eintritt der Wiederverheiratungsklausel zumindest ihren Erbanspruch nach dem Erstversterbenden erhalten. Führt die Wiederverheiratungsklausel bspw. beim Übergang von befreiter zu nicht befreiter Vorerbschaft nur zu einer Sicherungsfunktion und nicht zu einem Substanzabfluss, dann liegt es nahe, die Bindungswirkung nicht entfallen zu lassen.

 

Rz. 116

Muster 19.24: Widerrufsrecht des Überlebenden im Falle der Wiederverheiratung

 

Muster 19.24: Widerrufsrecht des Überlebenden im Falle der Wiederverheiratung

Für den Fall, dass die Wiederverheiratungsklausel in Kraft tritt, bleiben die Verfügungen des Überlebenden ausdrücklich wirksam. Der überlebende Ehegatte ist aber berechtigt, die Verfügungen für den zweiten Todesfall ganz oder teilweise abzuändern und zu widerrufen.

 

Rz. 117

Muster 19.25: Bestehenbleiben der Bindungswirkung im Falle der Wiederverheiratung

 

Muster 19.25: Bestehenbleiben der Bindungswirkung im Falle der Wiederverheiratung

Für den Fall, dass die Wiederverheiratungsklausel in Kraft tritt, soll entgegen jeder gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- und Auslegungsregel die Wechselbezüglichkeit und Bindungswirkung in Bezug auf die Verfügungen des überlebenden Ehegatten bestehen bleiben.

[192] MüKo/Musielak, § 2269 Rn 62; OLG Köln FamRZ 1976, 552; OLG Karlsruhe NJW 1961, 1410; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 45 ff., scheinen die Auffassung zu vertreten, dass die Bindung nur dann entfällt, wenn dem überlebenden Ehegatten sämtliche Vermögensvorteile, die er beim Tod des Erstversterbenden gehabt hat, genommen werden.
[193] OLG Zweibrücken ZEV 2013, 395.
[194] OLG Hamm ZEV 1994, 365.
[195] MüKo/Musielak, § 2269 Rn 62.

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