I. Allgemeines
Rz. 94
Zwischen Erben und Testamentsvollstrecker besteht grundsätzlich ein gesetzliches (kein vertragliches) Schuldverhältnis, aufgrund dessen eine gesetzliche Regelung der Haftung des Testamentsvollstreckers in § 2219 BGB erforderlich war.
Rz. 95
Die Haftung aus § 2219 Abs. 1 BGB stellt eine persönliche Haftung des Testamentsvollstreckers mit seinem eigenen Vermögen dar. Der Haftungsanspruch gehört zum Nachlass gemäß § 2041 BGB.
Vgl. zur steuerlichen Haftung des Testamentsvollstreckers Piltz, ZEV 2001, 262.
II. Anspruchsberechtigter
Rz. 96
Anspruchsberechtigt aus § 2219 BGB ist grundsätzlich der Erbe. Keine Anspruchsberechtigung hat der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls. § 2212 BGB hindert den Erben, den Anspruch aus § 2219 BGB gegen den früheren Testamentsvollstrecker bei fortdauernder Testamentsvollstreckung selbst geltend zu machen. Dieses Recht steht lediglich dem nachfolgenden Testamentsvollstrecker zu. Dagegen sind die Erben nicht gehindert, Schadensersatzansprüche gegen den amtierenden Testamentsvollstrecker geltend zu machen, weil der Testamentsvollstrecker insoweit rechtlich an der Vertretung des Nachlasses verhindert ist.
Rz. 97
Anspruchsberechtigt sind neben den Erben die Vermächtnisnehmer, und zwar auch die Unter- und Nachvermächtnisnehmer. Insbesondere besteht kein Subsidiaritätsverhältnis zwischen der Erben- und der Testamentsvollstreckerhaftung. Sein Schadensersatzanspruch fällt nicht als Surrogat in den Nachlass.
Rz. 98
Eine Anspruchsberechtigung Dritter, die weder Erben noch Vermächtnisnehmer sind, besteht nur dann, wenn es sich um Rechtsnachfolger von Erben oder Vermächtnisnehmern handelt. Keinen Anspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB haben demnach Nachlassgläubiger, Nachlassschuldner, Pflichtteilsberechtigte oder Auflagenbegünstigte. Ihnen steht allenfalls ein Anspruch aus unerlaubter Handlung zu. Zu beachten ist aber, dass für den Fall, dass der Erbe durch die unerlaubte Handlung selbst gegenüber dem Geschädigten haftbar wird, er seinerseits einen Ersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker haben kann, der vom Gläubiger gepfändet werden kann, was indirekt dann doch zu einem Anspruch des Gläubigers gegen den Testamentsvollstrecker führt. Der Erbe haftet nämlich nach h.M. gemäß § 278 BGB für das Verschulden des Testamentsvollstreckers im gleichen Umfang wie für eigenes Verschulden.
III. Die zeitliche Begrenzung der Haftung
Rz. 99
Die Haftung nach § 2219 Abs. 1 BGB gilt analog auch für vorzeitige Handlungen des Testamentsvollstreckers, falls diesbezüglich ein Auftrag der Erben vorlag.
Rz. 100
Der Testamentsvollstrecker haftet aus § 2219 BGB analog auch bei unaufschiebbaren Handlungen, nach Beendigung seines Amtes.
IV. Die Voraussetzungen der Haftung
Rz. 101
Eine objektive Verletzung der dem Testamentsvollstrecker obliegenden Pflichten beurteilt sich nach der Generalklausel des § 2216 Abs. 1 BGB, wonach der Testamentsvollstrecker zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet ist, sowie am Willen des Erblassers, der sich in erster Linie in der letztwilligen Verfügung dokumentieren muss. Dieser Wille wird regelmäßig an den Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung orientiert sein. Insoweit ist auch der fiktive Wille des Erblassers maßgebend, weil zu berücksichtigen ist, wie sich der Erblasserwille in Kenntnis der nachträglich eingetretenen Umstände dargestellt hätte.
Rz. 102
Weiterhin ist erforderlich, dass den Testamentsvollstrecker hinsichtlich der objektiven Pflichtverletzung ein Verschulden i.S.d. § 276 BGB trifft. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der behaupteten Pflichtverletzung. Der Testamentsvollstrecker haftet somit für Vorsatz und jegliche Form der Fahrlässigkeit. Beachtlich ist aber, dass eine Garantiehaftung oder eine verschuldensunabhängige Gewährleistung des Testamentsvollstreckers nicht gegeben ist. Bei der erforderlichen Sorgfalt des Testamentsvollstreckers ist insbesondere zu prüfen, welche Sorgfaltspflichten und welcher Sorgfaltsmaßstab gerade im konkreten Fall, bei der konkreten Person und bei den konkreten Umständen anzuwenden sind. Insoweit liegt hier eine subjektive, nicht eine objektive Betrachtung vor, was aber grundsätzlich nicht bedeutet, dass hier die diligentia quam in suis gilt. Demgegenüber richtet sich die Vorhersehbarkeit des schädigenden Erfolges nach der ex-ante-Sicht des damals berufenen Testamentsvollstreckers.