Rz. 176
Neben Alkohol spielt auch der Einfluss von Drogen eine zunehmend größere Rolle bei der Fahreignungsbegutachtung. Seit Jahren nehmen sowohl die absoluten Zahlen als auch der relative Anteil der Drogenfragestellungen zu (vgl. Abbildung 19.9). Während sich 2005 17 % aller Medizinisch-Psychologischen Untersuchungen mit Drogen- oder Medikamentenauffälligkeiten befassten, waren es 2023 bereits 33 % (siehe Abbildung 19.4, Rdn 142).
Abb. 19.9: Entwicklung der absoluten Zahlen von Betäubungsmittel- und Medikamentenauffälligen
Rz. 177
Bezüglich der Fahrtüchtigkeit (also der aktuell vorhandenen Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen), aber auch der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (also der zeitlich überdauernden Fähigkeit zum sicheren Führen von Fahrzeugen) gibt es zwischen Drogen und Alkohol zwei wesentliche Unterschiede: Zum einen können bei Drogen Art und Dauer des Rausches und der Beeinträchtigungen nicht so gut abgeschätzt und vorhergesehen werden wie bei Alkohol. Bei Drogen gibt es noch größere, interindividuelle Unterschiede bezüglich der Rauschwirkungen als bei Alkohol. Weiterhin ist für viele Drogen ein "intervallartiger" Wirkungsverlauf typisch, also eine über die Zeit immer wieder zu- und abnehmende Rauschwirkung, deren Verlauf jedoch kaum vorhersehbar ist.
Rz. 178
Zum anderen ist das Ziel der Drogeneinnahme in aller Regel die Erzeugung eines Rauschzustandes. Drogen sind insofern eben stets Rauschmittel, während Alkohol in der Regel als Genussmittel konsumiert werden kann. Insoweit kann bei (illegalen bzw. harten) Drogen eigentlich kaum die Frage verfolgt werden, ob der regelmäßige Konsument derartiger Drogen (analog zum Alkohol) in der Lage ist, Drogenkonsum und Fahren voneinander zu trennen. Im Rausch ist dies, wie bereits im Abschnitt Alkohol (vgl. Rdn 159) diskutiert, grundsätzlich nicht möglich.
a) Amtliche Unfallstatistik
Rz. 179
Die Unfallursache Drogen- oder Medikamenteneinfluss spielt absolut gesehen zwar nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Tabelle 19.5), dennoch wäre jeder einzelne Unfall leicht zu verhindern, da es im Gegensatz zum Genuss von Alkohol (0,5-Promillegrenze) keinen Spielraum für Drogenkonsum gibt. Es ist gesetzlich klar geregelt (§ 14 FeV), dass der Konsum von Stoffen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, und das Führen von Fahrzeugen strikt zu trennen sind. Selbst der mittlerweile zum 1.4.2024 legalisierte Konsum von Cannabis kann unter bestimmten Umständen zur Anordnung einer MPU führen (vgl. Rdn 11).
Tab. 19.5: Unfallfolgen bei Unfällen unter dem Einfluss berauschender Mittel ohne Alkohol in Deutschland 2021
|
insgesamt |
davon Unfälle unter dem Einfluss anderer berauschender Mittel (z.B. Drogen, Rauschgift) |
% |
Unfälle mit Personenschaden |
289.672 |
2.409 |
0,8 |
Verunglückte |
|
|
insgesamt |
363.922 |
3.237 |
0,9 |
|
Getötete |
2.788 |
53 |
1,9 |
|
Schwerverletzte |
57.727 |
796 |
1,4 |
|
Leichtverletzte |
303.407 |
2.388 |
0,8 |
Rz. 180
Zwar ist der Anteil der unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss verursachten Unfälle wesentlich geringer als bei Alkohol, jedoch verunglückten 2021 auf deutschen Straßen mehr als 3.200 Menschen aufgrund von psychoaktiv wirkenden Substanzen. Leider belegen diese Zahlen in einer Zeitreihe betrachtet auch weiterhin eine steigende Tendenz. Wurden im Jahre 2015 1.679 Unfälle mit Personenschaden registriert, die auf den Einfluss von berauschenden Mitteln (außer Alkohol) beim Fahrzeugführer zurückzuführen sind, waren es im Jahr 2021 2.409 Unfälle. Dies entspricht einer Zunahme von 43,5 % in sechs Jahren.
b) Einschätzung des Unfallrisikos
Rz. 181
Bedeutsam ist auch, dass es nicht selten zu einer gefährlichen Mischung aus Alkohol und Drogen kommt oder dass verschiedene Drogen kombiniert werden, um den Rausch zu verstärken. Dieser Mischkonsum ist besonders heimtückisch, da seine Wirkungen unvorhersehbar ...