Rz. 207
Die Gruppe der sogenannten "Punktetäter" ist die dritthäufigste Anlassgruppe für Medizinisch-Psychologische Untersuchungen. Von 2005 bis 2009 ist die Anzahl der Begutachtungen mit verkehrsrechtlicher Fragestellung dabei stetig gestiegen. In den letzten Jahren liegt sie auf einem relativ stabilen Niveau (siehe Abbildung 19.12).
Rz. 208
Die Problematik der Fahrer mit hohem Punktestand lässt sich aus zwei Umständen ersehen. Einerseits bilden die Fahrer mit 8 Punkten im FAER (vormals 18 Punkte im VZR) eine sehr kleine Minderheit der Kraftfahrer. Es erreichen jährlich nur sehr wenige Kraftfahrer diese kritische Punkteschwelle. Im Jahr 2015 waren dies lediglich 0,01 %, also 1 von 10.000 Fahrerlaubnisinhabern (vgl. Tabelle 19.8). Daraus kann gefolgert werden, dass die meisten Fahrer sich offenbar von den Maßnahmen des "Mehrfachtäter-Punktesystems" der StVZO beeindrucken lassen und nicht erneut oder gar mehrfach auffällig werden. Andererseits zeigt die bloße Anhäufung von derart vielen Punkten im FAER, dass es zu wiederholten Auffälligkeiten bei Fahrerlaubnisinhabern mit 8 Punkten gekommen ist. Diese Fahrer bilden also sozusagen den "harten Kern" der scheinbar Unbelehrbaren.
Tab. 19.8: Entziehungen der Fahrerlaubnis 2015
ausgewählte Fahrerlaubnismaßnahmen |
Anzahl |
Prozent |
geschätzte Anzahl aller Fahrerlaubnisinhaber |
53.000.000 |
100,00 % |
Entziehungen 2015 aufgrund des Erreichens von 8 Punkten |
5.136 |
0,01 % |
Entziehungen 2015 insgesamt* |
40.110 |
0,08 % |
a) Amtliche Unfallstatistik
Rz. 209
Wie Tabelle 19.9 zu entnehmen ist, stellen Verkehrsverstöße (neben Alkohol, Drogen und Medikamenten) die Hauptursachen bei Unfällen mit Personenschaden dar.
Tab. 19.9: Unfallursachen bei Unfällen mit Personenschaden 2015
Unfallursachen |
Anteil |
Unfälle mit Personenschaden |
305.659 |
dabei erfasste Unfallursachen |
418.452 |
davon |
technische Mängel |
1 % |
Witterung, Straßenverhältnisse, Hindernisse inklusive Wild |
8 % |
Fehlverhalten Fußgänger |
3 % |
Fehlverhalten Fahrzeugführer |
88 % |
darunter |
Abbiegen, Wenden, Rückwärts-, Ein- & Anfahren |
16 % |
Vorfahrt, Vorrang |
15 % |
Abstand |
14 % |
Geschwindigkeit |
13 % |
Überholen |
4 % |
Sonstige (inklusive Substanzeinfluss) |
27 % |
Rz. 210
Von allen polizeilich registrierten Unfällen mit Personenschaden waren 2015 88 % auf Fehlverhalten von Fahrzeugführern zurückzuführen. Andere Ursachen waren Fehlverhalten von Fußgängern (3 %) und allgemeine Ursachen wie Witterung, Straßenverhältnisse oder Hindernisse inklusive Wild (8 %). Nur für einen Bruchteil der Unfälle (1 %) wurden technische Mängel bzw. Wartungsmängel als ursächlich erfasst.
Rz. 211
Insgesamt wurde bei 47.024 Unfällen mit Personenschaden bei mindestens einem der Beteiligten nicht angepasste Geschwindigkeit festgestellt. Damit rückte die jahrelange "Unfallursache Nummer eins" an die vierte Stelle der häufigsten Unfallursachen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass bei diesen Unfällen insgesamt 64.715 Personen verletzt und sogar 1.211 Menschen getötet worden sind. Somit war überhöhte Geschwindigkeit Ursache für 35 % aller im Straßenverkehr Getöteten und eine der schwerwiegendsten Unfallursachen im Jahr 2015.
b) Einschätzung des Unfallrisikos
Rz. 212
Warum vor allem Geschwindigkeitsüberschreitungen so gefährlich sind, lässt sich u.a. einfach physikalisch erklären. Legt man die in der Fahrschule erlernte Faustformel zugrunde, kann man den Bremsweg für ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h auf 100 m schätzen. Dies gilt jedoch nur annähernd und lediglich auf trockener, befestigter Fahrbahn. Hinzu kommt noch der Reaktionsweg, also die Strecke, die das Fahrzeug zurücklegt, bevor der Fahrer auf das Hindernis/den Reiz reagiert und bremst. Dieser kann ebenfalls anhand einer Faustformel geschätzt werden und beträgt für 100 km/h 30 m/s. Dies bedeutet, dass in jeder Sekunde, in der nicht gebremst wird, 30 m zurückgelegt werden. Bei der Berechnung des Bremsweges wird von einer durchschnittlichen Reaktionszeit von 1 s ausgegangen, sodass bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h also insgesamt 130 m benötigt werden, um das Fahrzeug zum Stehen zu bringen. Dies entspricht dem Anhalteweg. Wenn nun die Geschwindigkeit jedoch um 20 km/h überschritten wird, verlängern sich sowohl Bremsweg als auch Reaktionsweg deutlich. Der Bremsweg beträgt dann 144 m, der Reaktionsweg beträgt 36 m/s. Bei gleichen Ausgangsbedingungen beträgt der Anhalteweg nun also bereits 180 m. Die Strecke, die benötigt wird, um das Fahrzeug zum Stehen zu bringen,...