Rz. 48
Neben den reinen (handschriftlichen oder digitalen) Mitschriften der Gutachter ist es auch möglich, eine Tonaufzeichnung des psychologischen Untersuchungsgesprächs anfertigen zu lassen.
Wann und wie eine Aufzeichnung erfolgt bzw. erfolgen muss, ist derzeit (noch) nicht gesetzlich geregelt und bleibt daher jedem Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung selbst überlassen.
Rz. 49
Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass die Aufzeichnung bei Streitigkeiten über Formulierungen im Gutachten als Nachweis für Gesagtes oder Nichtgesagtes herangezogen werden kann. Die Tonaufzeichnung kann daher zu erhöhter Transparenz für den Klienten beitragen.
Rz. 50
Der Nachteil der Tonaufzeichnung liegt in der Umsetzung. Die zusätzliche Aufzeichnung des psychologischen Untersuchungsgesprächs ist einerseits mit einem erhöhten technischen Aufwand und andererseits mit erheblich erhöhtem Aufwand bei der Übertragung der Aufzeichnung in Schriftform zur Verwendung im Gutachten (Transkription) verbunden. Dadurch erhöht sich der Arbeitsaufwand des bei der Gutachtenerstellung federführenden Psychologen beachtlich, was sich letztlich im Untersuchungsentgelt niederschlägt. Da die Grundpreise für die MPU nicht mehr gesetzlich geregelt sind, steht es den Trägern von Begutachtungsstellen frei, für alle Dienstleistungen Preise in ihrem Ermessen zu verlangen. Zu diesen Dienstleistungen zählt auch die Tonaufzeichnung. Gemessen am zu betreibenden Aufwand bei einer MPU mit Tonaufzeichnung kann sich so der zu entrichtende Gesamtpreis für die MPU um mehrere Hundert Euro erhöhen.
Rz. 51
Da die Gutachter während der Untersuchung sowieso Mitschriften anfertigen müssen, sich während des Gesprächs aber nur auf das Notieren der wesentlichen und wichtigsten Aussagen des Klienten konzentrieren, muss der Klient daher abwägen, ob ihm die vollständige Niederschrift des Gesagten diese zusätzlichen Kosten wert ist.
Rz. 52
Muffert und Kollegen (2020) führten eine Untersuchung über das Angebot einer kostenfreien Tonbandaufzeichnung des psychologischen Untersuchungsgesprächs in den Jahren 2017 bis 2019 bei AVUS Gesellschaft für Arbeits-, Verkehrs- und Umweltsicherheit mbH durch. Zunächst wurden Klienten vor dem Gespräch um ihr Einverständnis zur Tonbandaufnahme gebeten, wobei bis zu 25 % aller Klienten einer Tonbandaufzeichnung zustimmten. Hierbei waren jedoch starke regionale Unterschiede zu verzeichnen. Außerdem wurde anhand der Rückfragen der Klienten ersichtlich, dass sie sich durch die Entscheidung, ob sie einer Tonbandaufzeichnung zustimmen sollten oder nicht, unter Druck gesetzt fühlten. Daraufhin wurde das Vorgehen 2018 geändert und Klienten nunmehr nur noch auf die Möglichkeit einer kostenfreien Aufnahme hingewiesen. Sie mussten also aktiv angeben, dass sie eine Aufzeichnung wünschten. In der Folge gingen die Anteile der Aufzeichnungen 2019 stark zurück: Aufzeichnungen wurden nur noch von unter 5 % aller Klienten gewünscht, auch hier mit starken regionalen Schwankungen. Über den gesamten Beobachtungszeitraum wurden zudem lediglich 0,4 % aller Aufzeichnungen durch Klienten nachträglich angehört und lediglich 0,05 % aller Klienten wünschten eine Transkription ihrer Tonbandaufzeichnung. Insgesamt konnte zudem festgestellt werden, dass die Tonbandaufzeichnung in den beurteilungsrelevanten Inhalten mit den Inhalten der vom Gutachter angefertigten Mitschrift übereinstimmte, sodass die Tonbandaufzeichnung keinen wesentlichen inhaltlichen Mehrgewinn darstellte. Die Autoren führen dies u.a. darauf zurück, dass durch die Einführung der fachlichen Untersuchungsgrundlagen sowie die ständige Rückmeldung im Verlauf des Gesprächs und die Sachstandsmitteilung am Ende des psychologischen Untersuchungsgesprächs (vgl. Rdn 76) ein hoher Grad an Transparenz erreicht werden konnte.
Rz. 53
Ein weiterer Vorstoß zur Erhöhung der Transparenz der MPU ist der Vorschlag einer Videoaufzeichnung der Untersuchung. Diese hätte prinzipiell dieselben Vor- und Nachteile wie eine Tonaufzeichnung, wäre aber mit einem noch sehr viel höheren Aufwand verbunden. Hierbei würde sich erst recht die Frage der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme stellen, zumal der Anteil der Klienten, die vorbringen, dass sie bestimmte Angaben im psychologischen Untersuchungsgespräch nicht oder anders gemacht hätten, verschwindend gering ist.
Rz. 54
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sowohl für die Ton- als auch die möglichen Videoaufzeichnungen zunächst rechtliche, aber auch fachliche Fragen zu klären sind. Dazu gehören insbesondere:
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Wie wirkt sich die Aufnahme auf das Vertrauensverhältnis zwischen Klienten und Arzt/Psychologen und dadurch auf die Güte der erhobenen Befunde aus? |
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Welche Mindestanforderungen werden an die Technik gestellt? |
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Welche Kosten kommen auf den Klienten zu? |
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Werden die Aufnahmen (samt Kostenkonsequenz) für alle Klienten obligatorisch durchgeführt? |
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Welche Untersuchungsteile (Medizin und/oder Psychologie) werden aufgezeichnet? |
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Wird kontinuierlich aufgeze... |