Rz. 195

Damit die Auseinandersetzung ordnungsgemäß vorgenommen werden kann, gewährt § 2057 BGB einen Anspruch auf Auskunft über ausgleichungspflichtige Vorempfänge (Ausstattungen, §§ 2050 Abs. 1, 1624 BGB; Schenkungen, §§ 2050 Abs. 3, 516 BGB; Zuschüsse zum Einkommen, § 2050 Abs. 2 BGB; Aufwendungen für die Berufsausbildung, § 2050 Abs. 2 BGB), nicht auch für andere Zuwendungen; dem Miterben steht gegen einen anderen Miterben hinsichtlich unentgeltlicher Zuwendungen des Erblassers kein allgemeiner Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben zu.[189] In der Praxis ist auch zu fragen nach erlassenen Schulden (Erlassvertrag = verfügendes Rechtsgeschäft, § 397 BGB), deren Kausalgeschäft ebenfalls eine ausgleichungspflichtige Zuwendung (Ausstattung oder Schenkung) sein kann (vgl. hierzu im Einzelnen § 9 Rdn 317 ff.).

Das Verfahren für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung richtet sich nach §§ 410 ff. FamFG.

[189] OLG Frankfurt ErbR 2017, 630.

aa) Gläubiger und Schuldner des Auskunftsanspruchs

 

Rz. 196

Gläubiger ist jeder Miterbe. Aber auch der Testamentsvollstrecker, zu dessen Aufgabe die Auseinandersetzung des Nachlasses gehört, kann Auskunft verlangen, weil er andernfalls eine ordnungsgemäße Auseinandersetzung nicht vornehmen könnte.[190] Schuldner des Auskunftsanspruchs sind die nach §§ 2050 ff. BGB Ausgleichungsverpflichteten und auch ein nichterbender pflichtteilsberechtigter Abkömmling.[191]

[190] MüKo/Fest, § 2057 BGB Rn 4; Staudinger/Werner, § 2057 BGB Rn 3.
[191] OLG Nürnberg NJW 1957, 1482.

bb) Inhalt des Auskunftsanspruchs

 

Rz. 197

Nicht über jede Zuwendung ist Auskunft zu geben, sondern nur über solche, die auch der Ausgleichung nach §§ 2050 ff. BGB unterliegen. Anzugeben sind solche Zuwendungen, die nach ihren generellen Eigenschaften, also auch nur möglicherweise, von den Ausgleichungsvorschriften erfasst werden.[192] Die Wertung, ob eine Zuwendung ausgleichungspflichtig ist oder nicht, kann nicht dem Empfänger allein überlassen bleiben. Deshalb hat er im Zweifel auch über solche Zuwendungen Auskunft zu erteilen, die er als nicht ausgleichungspflichtig ansieht (z.B. sog. Pflicht- und Anstandsschenkungen).

 

Rz. 198

Nach h.M. ist – noch auf der Grundlage zweier RG-Entscheidungen[193] – eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte "Totalaufklärung" geschuldet.[194]

Über folgende lebzeitige Zuwendungen ist – entsprechend der Verweisung in § 2057 BGB auf die §§ 2050 ff. BGB – Auskunft zu erteilen:

Ausstattungen, §§ 2050 Abs. 1, 1624 BGB,
Zuschüsse zum Einkommen, § 2050 Abs. 2 BGB,
Aufwendungen für die Berufsausbildung, § 2050 Abs. 2 BGB,
andere Zuwendungen, vor allem Schenkungen, § 2050 Abs. 3 BGB.
Wegen der Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verweist § 2057 BGB auf § 260 BGB. Das Verfahren für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung richtet sich nach §§ 410 ff. FamFG.
[192] RGZ 73, 372, 377.
[193] RGZ 58, 88, 91, 93; RGZ 73, 372, 378.
[194] MüKo/Fest, § 2057 BGB Rn 4; vgl. auch Sarres, ZEV 2000, 349.

cc) Wertangaben

 

Rz. 199

Angaben zum Wert sind allenfalls auf der Grundlage von § 242 BGB zu machen, vor allem über wertbildende Faktoren eines zugewendeten Gegenstands.[195] Ein Anspruch auf Erstellung und Vorlage eines (Sachverständigen-)Wertgutachtens besteht allenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben.[196] Die Kosten dafür würde der an dem Gutachten interessierte Auskunftsgläubiger zu tragen haben.[197]

[195] BayObLG OLGE 40, 149 = FamRZ 1984, 825; OLG Hamm FamRZ 1983, 1279; Soergel/Wolf, § 2057 BGB Rn 1; MüKo/Fest, § 2057 BGB Rn 6.
[196] OLG Hamm FamRZ 1983, 1279.
[197] BGHZ 84, 31, 35 = NJW 1982, 1643; BGH NJW 1986, 127; Bamberger/Roth/Lohmann, § 2057 BGB Rn 4.

dd) Vorläufiger Rechtsschutz für das Auskunftsverlangen

 

Rz. 200

Eine einstweilige Verfügung auf Auskunft ist grundsätzlich unzulässig.[198] Dieser Grundsatz wird ausnahmsweise nur dann durchbrochen, wenn die Durchsetzung oder wenigstens die Sicherung des der Auskunft nachfolgenden Hauptanspruchs für den Antragsteller von existenzieller Bedeutung ist und dieser nicht ohne die sofortige Auskunftserteilung geltend gemacht werden kann.[199]

[198] Zöller/Vollkommer, § 940 ZPO Rn 8 Stichwort "Auskunft"; a.M. MüKo-ZPO/Heinze, vor § 935 ZPO Rn 31.
[199] OLG Rostock WM 1998, 1530; Zöller/Vollkommer, § 940 ZPO Rn 8 Stichwort "Auskunft".

ee) Prozessuales

(1) Urkundenvorlage durch Dritte

 

Rz. 201

Nach § 142 ZPO kann das Gericht – ggf. unter Fristsetzung – von Amts wegen die Vorlage von Urkunden nicht nur durch die Parteien, sondern auch durch Dritte anordnen, sofern dem Dritten dies zumutbar ist und er kein Zeugnisverweigerungsrecht hat.[200] Zwangsmittel stehen gegenüber dem Dritten wie gegenüber einem Zeugen zur Verfügung. Bei Erbteilungsklagen ist die Kenntnis über ausgleichungspflichtige Vorempfänge von großer Wichtigkeit (§§ 2050 ff., 1624 BGB). Urkunden sind generell zuverlässigere Beweismittel als Zeugenaussagen. Deshalb ist es für eine beweispflichtige Partei von Vorteil, wenn ein Dritter schriftliche Unterlagen, bspw. einen Überweisungsbeleg, vorlegen kann. Dritter kann auch der zuständige Mitarbeiter einer Bank sein, die Kontounterlagen wenigstens in der Form von Mikrofilmen besitzt.

[200] Vgl. ausführlich Frühauf/...

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