Rz. 313

Auf den Pflichtteil eines Kindes oder Enkels ist neben Legaten und anderen Erwerben von Todes wegen (§ 789 ABGB) anzurechnen, was diesem als Ausstattung (Heiratsgut), zum Berufsanfang oder zum Start eines Gewerbes gegeben wurde, was er als Vorschuss auf den Pflichtteil erhielt oder vom Erblasser zur Zahlung von Schulden des volljährigen Kindes verwandt wurde, § 788 ABGB. Anzurechnen ist schließlich auch das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten (das mithin den Ehegattenpflichtteil erhöht, soweit es den Wert des Pflichtteils übersteigt).

 

Rz. 314

Die Anrechnung erfolgt, indem der Betrag nicht nur vom Pflichtteil abzuziehen ist – was allein den Testamentserben begünstigen würde –, sondern gleichzeitig dem (fiktiven) Nachlass zuzurechnen ist, wodurch sich die Pflichtteile erhöhen.[344] Auch ist der testamentarische Erbe dann zur Kürzung der Pflichtteile anderer Noterben nicht berechtigt.[345] Auch dann, wenn der Noterbe erheblich mehr als seinen Pflichtteil erhalten hat, ist er nach wohl überwiegender Ansicht gem. § 793 ABGB nicht zur Erstattung verpflichtet. Erst dann, wenn der hinterlassene Nachlass zur Begleichung der Pflichtteile nicht mehr ausreicht, kommt zur Verhinderung von Umgehungen des Pflichtteils der anderen Berechtigten nach einigen Stimmen in der Literatur gem. § 951 ABGB eine Anfechtung des Vorempfangs (Übermaßausstattung) in Betracht.[346]

 

Rz. 315

Zur Bewertung des Vorempfangs wird in der Rechtsprechung in entsprechender "berichtigender Auslegung" des Gesetzeswortlauts von § 794 ABGB auf den Zustand zum Zeitpunkt des Empfangs und die Wertmaßstäbe zum Zeitpunkt des Erbfalls abgestellt.[347] Auf diese Weise gerät z.B. ein Vorbehaltsnießbrauch bei Zuwendung von Immobilien in Abzug. Darüber hinaus sollen bei Immobilien spätere Wertentwicklungen bis zum Erbfall zu berücksichtigen sein – wenngleich Einzelheiten umstritten sind.[348] Barzuwendungen werden nach dem Lebenshaltungsindex aufgewertet.[349]

[344] OGH vom 25.2.1884, JB 114; Umlauft, Anrechnung, S. 100 ff.
[345] Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S. 298 m.w.N., auch zur Gegenmeinung.
[346] Eccher, in: Schwimann, ABGB-Praxiskommentar, § 789 Rn 9; Umlauft, Anrechnung, S. 100 ff.; für Zuwendungen, die nach den Verhältnissen bei Vornahme der Schenkung schon unverhältnismäßig waren, Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S. 301; zusammenfassend Samek, Pflichtteilsrecht, S. 168 ff.
[347] Eccher, in: Schwimann, ABGB-Praxiskommentar, § 794 Rn 2 m.w.N.; OGH NZ 1994, 234; a.A. Welser, in: Rummel, ABGB-Kommentar, § 794 Rn 6, der sich enger am Gesetzeswortlaut orientiert.
[348] OGH vom 5.9.1974, NZ 1975, 13; Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S. 299 m.w.N.
[349] Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S. 299; Scheffknecht, NZ 1968, 132 – ausgenommen sind Barschenkungen zum Erwerb einer bestimmten Sache.

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