Rz. 280

Obgleich die Kinder neben dem überlebenden Ehegatten des Erblassers lediglich einen Geldanspruch erhalten (siehe Rdn 279), wird der Anfall des Nachlasses dennoch nur aufgeschoben, weil die Kinder irgendwann auch den überlebenden Ehegatten beerben werden. Um den Erwerb "alter Erbstücke der Familie" durch die Kinder abzusichern, wird ihnen in den folgenden Konstellationen, in denen dieser Schlusserwerb gefährdet ist, eine Klage auf Übertragung von einzelnen Nachlassgegenständen unter Anrechnung auf ihren Geldanspruch ermöglicht. Das Gericht gibt der Klage nach billigem Ermessen statt (Art. 4:19–22 B.W.):

Der überlebende Ehegatte ist leiblicher Elternteil auch der Abkömmlinge, will sich jedoch neu verheiraten und damit die zum Nachlass gehörenden Gegenstände in die neue Gütergemeinschaft einbringen: Die Kinder können hier die Übertragung des Eigentums an den bestimmten Gegenständen verlangen. Allerdings behält der überlebende Ehegatte hieran dann einen Nießbrauch (Art. 4:19 B.W.).
Der überlebende wiederverheiratete Ehegatte stirbt, ohne dass die Kinder das o.g. Recht bei dessen Wiederverheiratung geltend gemacht haben: Hier können die Kinder die Sachen von dem Ehegatten des wiederverheirateten Ehegatten herausverlangen, wenn dieser aufgrund des "besonderen Erbrechts des Ehegatten" quasi gesetzlicher Alleinerbe geworden ist. Tritt das "besondere Erbrecht des Ehegatten" nicht ein, können sie ihr Recht auf Übertragung der Gegenstände gegen den/die testamentarischen bzw. gesetzlichen Erben des wiederverheirateten Ehegatten des Erblassers geltend machen. In diesen Fällen kann kein Nießbrauch vorbehalten werden, da der überlebende Ehegatte nicht Ehegatte des Erblassers war (Art. 4:20 B.W.).
Der überlebende Ehegatte ist nicht Elternteil der Kinder (Stiefkindsituation). Hier haben die Kinder kaum eine Chance, den überlebenden Ehegatten zu beerben und außer der Geldforderung eine unmittelbare Beteiligung am Nachlass zu erwerben. Auch hier kann der überlebende Stiefelternteil sich an den auf die Kinder übertragenen Gegenständen aber wie in Fall 1 den Nießbrauch vorbehalten (Art. 4:21 B.W.).
Der überlebende Elternteil ist Stiefelternteil, die Kinder haben aber das Gestaltungsrecht noch nicht beim Erbfall ausgeübt. Sie können dieses dann beim Tod des Stiefelternteils gegenüber dessen Erben ausüben und erhalten dann also statt der Geldzahlung Sachen aus dem Nachlass (Art. 4:22 B.W.).

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