Rz. 328

Der Pflichtteil ist Geldforderung. Er kann aber frühestens ein Jahr nach Eintritt des Erbfalls geltend gemacht werden, § 765 Abs. 1 ABGB. Eine Abfindung in Nachlassgegenständen erfordert das Einvernehmen von Erben und Pflichtteilsberechtigtem. Neu eingeführt durch die Erbrechtsreform 2015 ist die Möglichkeit der Pflichtteilsstundung. Diese kann auf testamentarische Anordnung durch den Erblasser erfolgen oder aber auch auf Antrag durch den Erben vom Gericht bewilligt werden. Die Frist für die Stundung kann bis zu fünf Jahre betragen. Der Pflichtteil kann insgesamt gestundet werden oder Ratenzahlung erfolgen, § 766 ABGB. In Sonderfällen kann die Frist auch auf bis zu zehn Jahre angeordnet werden. Maßgeblich sind dabei die Situation des Pflichtteilsberechtigten und des pflichtteilsbelasteten Erben. Im Vordergrund steht hier, die Gefährdung eines im Nachlass befindlichen Unternehmens durch die Verpflichtung zur sofortigen Auszahlung des gesamten Pflichtteilsbetrages zu vermeiden.

 

Rz. 329

Pflichtteilsansprüche verjähren in drei Jahren. Der Beginn der Frist ist umstritten. Nach wohl überwiegender Ansicht beginnt sie für Nachlasspflichtteile und Schenkungspflichtteile mit der Eröffnung des Testaments zu laufen. Die Verjährung der Ansprüche gegen den Beschenkten wegen Verkürzung des Pflichtteils beginnt bereits mit dem Tod des Erblassers.[366] Die Geltendmachung erfolgt durch Klage gegen die Erben. Die Klage erfolgt im Rahmen der streitigen Gerichtsbarkeit. Ist der Nachlass noch nicht eingeantwortet worden und droht Verjährung, ist Klage gegen den Nachlass zu erheben, der bis zur Einantwortung selbstständige juristische Person (hereditas iacens) ist.

 

Rz. 330

Für die Unterhaltsansprüche des Ehegatten und der Kinder (§ 796 bzw. § 142 ABGB) stellt sich die Frage, welchen Rang sie einnehmen. Nach wohl überwiegender, wenn auch umstrittener Ansicht geht der Unterhaltsanspruch den übrigen Nachlassverbindlichkeiten wie auch den Pflichtteilen im Rang nach (siehe Rdn 310). Der Unterhalt lässt also die Pflichtteile unberührt und geht damit auf Kosten der Vermächtnisse und sonstigen Verfügungen. Freilich ist auf den Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten ohnehin gem. § 796 S. 2 ABGB alles anzurechnen, was dieser von Todes wegen erhält. Ist der Wert des Unterhaltsanspruchs niedriger als sein Pflichtteil, bleibt dessen Bestehen für die Nachlassabwicklung folgenlos.[367]

 

Rz. 331

Zur Ermittlung und Sicherung seiner Ansprüche kann der Noterbe folgende Maßnahmen verlangen:

Auskunft über den Nachlass und Vorlage eines Vermögensverzeichnisses;
Errichtung eines Hauptinventars (§ 804 ABGB) durch den Notar und die Schätzung des Nachlasses durch Sachverständige (§ 784 ABGB). Bei minderjährigen Noterben ist dies zwingend;
Rechnungslegung für die Zeit zwischen Erbfall und tatsächlicher Zuteilung des Pflichtteils;
Nachlassabsonderung, welche nach der Einantwortung insbesondere verhindert, dass der Nachlass mit dem u.U. überschuldeten Eigenvermögen des Erben verschmilzt.
[366] OGH NZ 1993, 13; Haunschmidt/Haunschmidt, Erbschaft und Testament, Rn 27. A.A. Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S. 315, der Fälligkeit und Verjährungsbeginn aus Gründen der praktischen Nachlassabwicklung um ein Jahr hinausschieben möchte. Nach Eccher, in: Schwimann, ABGB-Praxiskommentar, § 764 Rn 8 bereits mit Kundmachung des Testaments.
[367] So Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S. 292.

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