Rz. 159
Der Abfindungsanspruch des verstorbenen Gesellschafters fällt nach h.M. in den Nachlass und ist deshalb in die Berechnung des Pflichtteils einzubeziehen. Für den Fall, dass abfindungsbeschränkende gesellschaftsvertragliche Regelungen eingreifen, sind diese grundsätzlich auch im Rahmen der Pflichtteilsberechnung (beim ordentlichen Pflichtteil und beim Pflichtteilsergänzungsanspruch) zu berücksichtigen. Demzufolge wirken sich gesellschaftsrechtlich zulässige Abfindungsbeschränkungen bzw. auch ein vollständiger Abfindungsausschluss auf den ordentlichen Pflichtteilsanspruch i.S.d. § 2303 BGB in der Weise aus, dass weder der Gesellschaftsanteil noch ein an dessen Stelle tretender Abfindungsanspruch in die Pflichtteilsberechnung einbezogen werden kann. Dies gilt nach der (noch) h.M. jedenfalls dann uneingeschränkt, wenn der Abfindungsausschluss für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt und nicht einen der Beteiligten unangemessen benachteiligt.
Rz. 160
Für die gestaltende Praxis ist jedoch größte Vorsicht geboten. Es stellt sich nämlich die Frage, ob und inwieweit ein gegenseitiger Abfindungsausschluss Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 Abs. 1 BGB auslösen kann, wobei die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB erst mit dem Tod des Gesellschafters zu laufen beginnen würde, da erst ab diesem Zeitpunkt eine Beeinträchtigung des Vermögens des Erblassers gegeben sein kann (Vermögensausgliederung). Umstritten ist in diesem Zusammenhang bereits die Frage, ob in der Vereinbarung des Ausschlusses eine Schenkung zugunsten der anderen Mitgesellschafter zu sehen ist. Hierzu wäre gem. §§ 516, 517 BGB eine objektive Bereicherung der übrigen Gesellschafter erforderlich und weiterhin die Einigkeit der Beteiligten darüber, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Fraglich ist bereits, was bei einem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Abfindungsverzicht den Zuwendungsgegenstand bildet. Teilweise wird vertreten, dass der Abfindungsverzicht selbst ein Vermögensopfer i.S.d. Schenkungsbegriffs darstelle. Andere sind der Auffassung, der Gesellschaftsanteil selbst sei Gegenstand der Zuwendung.
Rz. 161
Unabhängig davon stellt sich aber die Frage der Unentgeltlichkeit. Erfolgt der Ausschluss des Abfindungsrechts nur für einzelne Gesellschafter, ist nach h.M. auf jeden Fall von einer unentgeltlichen Zuwendung auszugehen. Erfolgt die Beschränkung bzw. der Ausschluss aber wechselseitig, geht der BGH bislang davon aus, dass eine Schenkung nicht vorliege. Vielmehr handele es sich um einen bereits unter Lebenden vollzogenen entgeltlichen Vertrag. Die Entgeltlichkeit wird dabei vor allem aus dem Wagnischarakter der Vereinbarung abgeleitet. Schließlich stehe dem Risiko, den eigenen Anteil zu verlieren, für alle Gesellschafter gleichermaßen die Chance gegenüber, einen anderen Gesellschaftsanteil hinzuzuerwerben.
Rz. 162
Eine andere Beurteilung ist aber nach BGH geboten, wenn ein grobes Missverhältnis der die einzelnen Gesellschafter treffenden Risiken – bspw. infolge erheblicher Altersunterschiede oder schwerer Erkrankungen – besteht und sich dadurch einseitige Vor- oder Nachteile ergeben. Diese Argumentation ist bereits vielfach kritisiert worden, insbesondere mit der Begründung, allein aus der Wechselseitigkeit des Abfindungsausschlusses bzw. der Abfindungsbeschränkung lasse sich ein entgeltlicher Charakter nicht ableiten. Allein der Umstand, dass die eigene Verfügung von einer entsprechenden Gegenverfügung des (potentiell) Begünstigten abhängig sei, führe noch nicht zur Entgeltlichkeit. Triebfeder dieser Kritik scheint vor allem die Sorge zu sein, dass durch die in Rede stehenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen ermöglicht werde, den gewünschten Nachfolgern zum Nachteil der Pflichtteilsberechtigten das Gesamtvermögen ungeschmälert zu hinterlassen. Dem ist aber im Ergebnis nicht zuzustimmen. Denn dem Risiko der ungerechtfertigten Benachteiligung der Pflichtteilsberechtigten trägt auch die von der h.M. vertretene Sichtweise ausreichend Rechnung: Sie qualifiziert nämlich diejenigen Gestaltungen, bei denen die von den einzelnen Gesellschaftern eingegangenen Risiken und die damit erstrebten Chancen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen als wenigstens teilweise unentgeltlich und daher ergänzungspflichtig.
Rz. 163
Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Ausgestaltung von Gesellschaftsverträgen in aller Regel weniger der Benachteiligung der Pflichtteilsberechtigten als vielmehr der Sicherung des Bestands der Gesellschaft dient. Hierzu gehört auch die Vermeidung von Kapital-, insbesondere aber Liquiditätsabflüssen (z.B. an Pflichtteilsberechtigte), die nicht durch das Unternehmen als solches veranlasst sind, sowie evtl. die Festlegung eines praktikablen Verfahrens zur Anteilsbewertung. Der Zweck, das Gesellschaftsvermögen möglichst für die Gesellschaft zu erhalten, bedingt in diesem Zusammenhang die Wechselseitigkeit der Verfü...