Rz. 294
§ 2320 BGB regelt die Verteilung der Pflichtteilslast zwischen mehreren Miterben im Innenverhältnis. Der Grundsatz der quotenentsprechenden Tragung der Pflichtteilslast wird hier durchbrochen. Ausnahmsweise hat derjenige, der anstelle eines Pflichtteilsberechtigten Miterbe wird, im Innenverhältnis die Pflichtteilslast des Weichenden zu tragen. Nach § 2320 Abs. 1 BGB hat derjenige, der anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, die Pflichtteilslast im Innenverhältnis in Höhe seines erlangten Vorteils alleine zu tragen. Voraussetzung ist also, dass ein Pflichtteilsberechtigter aus dem Kreis der gesetzlichen Erben ausgeschieden ist. Unmittelbar hierdurch muss eine Person gesetzlicher Erbe geworden sein, die vorher durch den Pflichtteilsberechtigten von der Erbfolge verdrängt wurde ("Ersatzmann"). Ausreichend ist es, wenn sich lediglich der Anteil eines Miterben durch das Ausscheiden eines Pflichtteilsberechtigten erhöht. Der Eintritt eines "Ersatzmannes" ist in folgenden Fällen denkbar:
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Enterbung des Pflichtteilsberechtigten (§ 1938 BGB); |
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Ausschlagung durch den pflichtteilsberechtigten Erben nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB; |
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Erbverzicht unter Pflichtteilsvorbehalt. |
Rz. 295
Der Ersatzmann hat die Pflichtteilslast nur in Höhe seines erlangten Vorteils zu tragen, also mit dem Betrag oder der Quote, die er anstelle des Pflichtteilsberechtigten erhält. Übernimmt der eintretende Erbe auch Beschränkungen und Beschwerungen, mindern diese den erlangten Vorteil.
Rz. 296
Als Vorteil i.S.v. § 2320 BGB ist nicht nur der Eintritt in eine Miterbengemeinschaft oder die Erhöhung der Erbquote zu sehen, sondern auch z.B. der Voraus des Ehegatten, wenn dieser neben den Eltern des Erblassers zur Erbfolge gelangt und nicht neben Abkömmlingen (großer Voraus). Gemäß § 2320 Abs. 2 BGB gilt die Haftung des "Ersatzmannes" im Innenverhältnis auch für den Fall der gewillkürten Erbfolge. Mit "Erbteil" i.S.v. § 2320 Abs. 2 BGB ist dabei immer der gesetzliche und nicht der testamentarische Erbteil gemeint. Der BGH wendet die Regelung des § 2320 Abs. 2 BGB immer dann an, wenn die Voraussetzungen der Quoten- oder Wertgleichheit objektiv vorliegen. Wie auch die übrigen Vorschriften zur Regelung eines Innenverhältnisses ist § 2320 BGB abdingbar.
Rz. 297
§ 2322 BGB regelt das Verhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmern speziell für den Fall, dass durch die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses der dadurch zur Erbfolge Gelangende mit Pflichtteilslasten belastet wird. In diesem Fall darf er Vermächtnisse so weit kürzen, dass er die ihn treffende Pflichtteilslast begleichen kann. § 2322 BGB verdrängt an dieser Stelle das Kürzungsrecht des § 2318 Abs. 1 BGB insoweit, als es dem Pflichtteilsanspruch Vorrang vor dem Vermächtnis einräumt.