Rz. 169
Da es sich in den Fällen der einfachen und der qualifizierten Nachfolgeklausel um einen Übergang des Gesellschaftsanteils im Wege des Erbrechts handelt, fällt der Gesellschaftsanteil (jedenfalls wertmäßig) in den Nachlass und ist daher im Rahmen der Berechnung des ordentlichen Pflichtteils zu berücksichtigen. Fraglich ist aber häufig, wie der Anteil zu bewerten ist, da in der Praxis auch für den Fall des lebzeitigen Ausscheidens eines Gesellschafters oftmals abfindungsbeschränkende Gesellschaftsvertragsklauseln eingreifen. Blieben diese bei der Bewertung unberücksichtigt, ergäbe sich für den Gesellschafter-Erben das Risiko, dass einerseits im Rahmen der Pflichtteilsberechnung der volle Wert der Beteiligung in Ansatz gebracht würde, andererseits aber im Fall eines späteren Ausscheidens aus der Gesellschaft lediglich der (deutlich geringere) Abfindungsbetrag realisiert werden könnte. Eine eindeutige Rechtsprechung zu dieser Problematik ist bislang nicht zu erkennen, in der Literatur ist das Problem heftig umstritten:
Rz. 170
Denkbar ist zunächst vom Wert des Gesellschaftsanteils auszugehen. Dieser soll ggf. später, falls es zum Zwangsverkauf des Anteils wegen der Pflichtteilslast kommt, zu korrigieren sein. Hierin läge aber wohl ein Verstoß gegen das in § 2311 BGB verankerte Stichtagsprinzip. Aus diesem Grunde ist von vornherein ein endgültiger Wert festzustellen. Dies könnte der Wert des Gesellschaftsanteils oder aber auch der Klauselwert sein.
Rz. 171
Der BGH hat sich jedenfalls für die Annahme eines endgültigen Werts entschieden. Allerdings soll es sich dabei um einen "Zwischenwert" handeln, dessen Berechnung zunächst der Wert des Gesellschaftsanteils zugrunde zu legen ist. Anschließend wird die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich zu einem Mindererlös aufgrund der Abfindungsklausel kommt, als wertmindernder Faktor berücksichtigt. Hierbei ist festzuhalten, dass die Wertminderung eine reine Ermessensfrage ist und nach Ansicht des BGH dem Richter überlassen bleibt. Nach neuerer Rechtsprechung soll die Anpassung bei Buchwertklauseln nach Treu und Glauben erfolgen. In der Praxis stellt sich hier aber das Problem, wie der Pflichtteilsanspruch und somit auch die den Gesellschafternachfolger treffende Pflichtteilslast konkret zu beziffern oder gar im Voraus zu berechnen ist.
Rz. 172
Insoweit wird z.T. vertreten, dass es primär auf die "Eintrittswahrscheinlichkeit" einer Abfindung unter dem Verkehrswert ankommen müsse. Der BGH hat dies jedoch ausdrücklich abgelehnt. Vielmehr geht er davon aus, dass eine Abweichung vom Vollwert im Wege tatrichterlicher Würdigung nach der Verkehrsanschauung festzustellen sei. Insoweit ist jedoch anzumerken, dass eine Verkehrsanschauung zur Frage eines angemessenen Wertabschlags nicht existiert, weil es für an und für sich unveräußerliche Beteiligungen keinen Geschäftsfall mehr gibt, in dessen Rahmen sich eine solche bilden könnte.
Rz. 173
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Verhältnis zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigtem die Abfindungsbeschränkung bei Fortführung des Gesellschaftsanteils nur dann eine Rolle spielt, wenn der Grund des Ausscheidens aus der Gesellschaft nicht (zufällig) in der (konkreten) Person des (tatsächlichen) Erben liegt und dieser auch nicht in anderer Weise sein Ausscheiden zum Klauselwert herbeigeführt hat. Vor diesem Hintergrund ist zunächst die Frage zu stellen, ob ein seine Entscheidungen allein an wirtschaftlichen Kriterien orientierender Erbe/Unternehmensnachfolger die Gesellschaftsbeteiligungen fortführen würde oder nicht. Bei angenommener Fortführung muss daher lediglich das Risiko einer Hinauskündigung bzw. Einziehung des Anteils zum Klauselwert ggf. mindernd berücksichtigt werden. Bei einer zu unterstellenden Aufgabe der Beteiligung muss der Wertabschlag deutlich höher ausfallen.
Rz. 174
Bei all dem darf aber auch nicht übersehen werden, dass bei einem Nachrücken des bzw. der Erben des verstorbenen Gesellschafters die vom BGH entwickelten Schranken für die Zulässigkeit von Abfindungsklauseln auf jeden Fall zu beachten sind. Scheidet nämlich der Gesellschafter-Erbe zu einem späteren Zeitpunkt aus der Gesellschaft aus, handelt es sich hierbei um einen Vorgang unter Lebenden mit der Folge, dass ggf. der von der Gesellschaft zu zahlende Abfindungswert anzupassen ist. Da der Gesellschafter-Erbe vollständig in die Rechtsposition seines Rechtsvorgängers eintritt, kann die Berufung auf die gesellschaftsvertragliche Abfindungsklausel auch ihm gegenüber u.U. nur eingeschränkt möglich sein. Ein Ansatz der zum Nachlass gehörenden Gesellschaftsbeteiligung unterhalb des angemessenen Abfindungsbetrags kommt daher im Rahmen der Pflichtteilsberechnung nicht in Betracht.