Rz. 13
Entferntere Abkömmlinge des Erblassers sowie seine Eltern sind beim Vorhandensein näherer Abkömmlinge grundsätzlich nicht pflichtteilsberechtigt, § 2309 BGB. Entgegen einem weit verbreiteten bzw. in der Praxis immer wieder auftauchenden Missverständnis ist § 2309 BGB keine Anspruchsgrundlage! Die Vorschrift begründet keinen zusätzlichen, nicht schon nach §§ 2303 ff. BGB bestehenden Pflichtteilsanspruch, sondern hat ausschließlich zum Ziel, das Pflichtteilsrecht der Eltern und der entfernteren Abkömmlinge des Erblassers einzuschränken und so eine Vervielfältigung von Pflichtteilsansprüchen zu verhindern. Entfernter verwandte Abkömmlinge sowie die Eltern des Erblassers werden grundsätzlich durch näher verwandte Abkömmlinge von der gesetzlichen Erbfolge und somit auch vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen. Ein näherer Abkömmling, der berechtigt ist, den Pflichtteil zu fordern, schließt gem. § 2309 1. Alt. BGB die entfernteren vom Pflichtteil aus. Ob der nähere Abkömmling seinen Pflichtteilsanspruch tatsächlich geltend macht, ist nicht entscheidend; die bloße Möglichkeit der Geltendmachung genügt.
Rz. 14
Ausnahmen von dieser Regel bilden aber die Fälle der Erbunwürdigkeit des näheren Abkömmlings (§ 2344 BGB), des Erbverzichts (§ 2346 BGB) oder der Ausschlagung (§§ 2306 Abs. 1, 2307 Abs. 1 S. 1 BGB). Gleiches kann im Fall der Enterbung gelten, allerdings nur dann, wenn der enterbte nähere Abkömmling pflichtteilsunwürdig war oder wirksam auf seinen Pflichtteil verzichtet hatte. Denn nach § 2309 1. Alt. BGB schließt nur derjenige nähere Abkömmling, der selbst den Pflichtteil verlangen kann, alle ferner verwandten Abkömmlinge aus.
Rz. 15
Durch die Erbunwürdigkeitserklärung verliert der betroffene (nähere) Abkömmling gem. § 2344 Abs. 1 BGB mit rückwirkender Kraft sein Erbrecht. Somit werden entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers nicht mehr von der gesetzlichen Erbfolge und – da der Erbunwürdige auch sein Pflichtteilsrecht verliert – vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen. Hat der Erbunwürdige zu Lebzeiten des Erblassers ausgleichungspflichtige Zuwendungen erhalten oder ein trotz der Erbunwürdigkeit bestehen bleibendes Vermächtnis angenommen, kann dies dem Pflichtteilsrecht der entfernteren Verwandten aber u.U. (wenigstens teilweise) entgegenstehen.
Rz. 16
Der Erbverzicht (eines näheren Abkömmlings) bewirkt gem. § 2346 BGB, dass der Verzichtende als zur Zeit des Erbfalls bereits verstorben gilt. Sofern sich der Erbverzicht auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, sind auch sie von der gesetzlichen Erbfolge und vom Pflichtteil ausgeschlossen. Der Erbverzicht kann dann nur zugunsten anderer vom Erblasser abstammender Abkömmlinge oder seiner Eltern wirken. Ein Erbverzicht unter Vorbehalt des Pflichtteilsrechts hat hinsichtlich § 2309 BGB gar keine Bedeutung.
Rz. 17
Die Ausschlagung eines näheren Berechtigten führt grundsätzlich zu einem gesetzlichen Erbrecht der entfernteren Verwandten. Ob und inwieweit sich hieraus Pflichtteilsansprüche ergeben, hängt aber davon ab, ob und in welchem Umfang dem Ausschlagenden selbst noch Pflichtteilsansprüche zustehen. Nach § 2306 Abs. 1 BGB genügt es für das Bestehenbleiben des Pflichtteilsanspruchs, wenn der Erbteil des Berechtigten mit Beschwerungen belastet ist. Auf den Umfang des so belasteten Erbteils kommt es nicht an. Vor diesem Hintergrund führt nur die Ausschlagung eines gänzlich unbelasteten Erbteils zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs.
Rz. 18
Die Enterbung eines näheren Abkömmlings ist für die Pflichtteilsberechtigung entfernterer Verwandter grundsätzlich irrelevant. Denn im Fall der Enterbung steht dem näheren Abkömmling im Regelfall ein eigener Pflichtteilsanspruch zu, sodass gerade in dieser Situation die Entstehung konkurrierender Pflichtteilsansprüche entfernterer Verwandter zu vermeiden ist. Ein derivativer Pflichtteilsanspruch fernerer Berechtigter setzt daher voraus, dass der enterbte Abkömmling pflichtteilsunwürdig (§ 2345 Abs. 2 BGB) ist, ihm der Pflichtteil gem. §§ 2333 ff. BGB wirksam entzogen wurde oder er nach § 2346 Abs. 2 BGB auf den Pflichtteil verzichtet hat. Soweit der Pflichtteilsverzicht sich gem. § 2349 BGB auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, kommt nur eine Begünstigung anderer Stämme bzw. der Eltern des Erblassers in Betracht.
Rz. 19
Nimmt der nähere Abkömmling das ihm Hinterlassene an, greift § 2309 2. Alt. BGB, sodass der Pflichtteil entfernterer Verwandter insoweit ebenfalls ausgeschlossen ist. Das Hinterlassene i.S.d. § 2309 BGB ist, was durch Verfügung von Todes wegen zugewandt wird, namentlich Erbteile, die hinter dem Wert der Hälfte des gesetzlichen Erbteils zurückbleiben, und Vermächtnisse, die an Stelle des Pflichtteils zugewendet werden, nicht aber Begünstigungen aus Auflagen.
Rz. 20
Auch anrechnungs- und ausgleichungspflichtige lebzeitige Zuwendungen gehören zum Hinterlassenen i.S.d. § 2309 BGB. Au...