Rz. 86
Im Hinblick auf eine gerechte Verteilung des gesamten Vermögens des Erblassers kommt den Rechtsinstituten der Ausgleichung und der Anrechnung besondere Bedeutung zu.
Rz. 87
Über § 2316 BGB findet die Ausgleichung unter Abkömmlingen (§§ 2050 bis 2057a BGB) Eingang in das Pflichtteilsrecht. Ihre Anwendung führt grundsätzlich nur zu einer Umverteilung der Pflichtteile unter den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen, sodass der pflichtteilsverpflichtete Erbe hiervon praktisch nicht betroffen ist.
Rz. 88
Voraussetzung des § 2316 Abs. 1 BGB ist, dass der Erblasser mehrere Abkömmlinge hinterlässt. Dies ist der Fall, wenn bei gesetzlicher Erbfolge mehr als ein Abkömmling Erbe geworden wäre. Kinder, die von der Erbfolge ausgeschlossen sind, weil sie enterbt oder für erbunwürdig erklärt wurden oder die Erbschaft ausgeschlagen haben, sind i.S.v. § 2316 BGB "vorhanden" und werden daher bei der Berechnung der Pflichtteilsquote mitgezählt (§ 2310 S. 1 BGB).
Rz. 89
Weitere Voraussetzung für eine Ausgleichung nach § 2316 Abs. 1 BGB ist, dass eine Zuwendung des Erblassers an einen Abkömmling bei hypothetischem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgleichungspflichtig bzw. besondere Leistungen eines Abkömmlings i.S.d. § 2057a BGB zu berücksichtigen wären. Die Zuwendung muss einem i.S.d. Vorschrift vorhandenen Abkömmling zugewendet bzw. die Leistung von diesem erbracht worden sein.
Rz. 90
Ausstattungen des Erblassers zugunsten seiner Abkömmlinge (§ 2050 Abs. 1 BGB) müssen stets bei der Pflichtteilsberechnung der übrigen Abkömmlinge berücksichtigt werden (§ 2316 Abs. 3 BGB); eine abweichende Anordnung des Erblassers ist im Rahmen von § 2316 Abs. 1 BGB grundsätzlich unbeachtlich (§ 2316 Abs. 3 BGB). Entgegen seinem Wortlaut gilt § 2316 Abs. 3 BGB auch für Zuwendungen des Erblassers i.S.d. § 2050 Abs. 2 BGB. Andere Zuwendungen als die nach § 2050 Abs. 1 und 2 BGB sind nur dann zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser dies spätestens bei der Zuwendung angeordnet hat. Eine spätere Anordnung ist grundsätzlich wirkungslos und daher auch bei der Pflichtteilsberechnung nicht zu berücksichtigen.
Rz. 91
Der Ausgleichungspflicht unterliegen aber grundsätzlich nur derartige Zuwendungen, die Abkömmlinge unmittelbar vom Erblasser erhalten. Zuwendungen von oder an Dritte sind nicht auszugleichen. Dieser Grundsatz wird aber durch § 2316 Abs. 1 i.V.m. § 2051 BGB für den Fall durchbrochen, dass der ausgleichungsverpflichtete Abkömmling wegfällt und ein anderer Abkömmling des Erblassers an seine Stelle tritt. Dann hat der nachrückende Abkömmling den Vorempfang in Bezug auf den Pflichtteil auszugleichen.
Rz. 92
Errechnet sich für einen Abkömmling wegen der vom Erblasser erhaltenen ausgleichungspflichtigen Zuwendung kein Pflichtteilsanspruch mehr, sind auch entferntere Abkömmlinge (§ 2309 BGB) vom Pflichtteil ausgeschlossen, § 1924 Abs. 2 BGB. Zuwendungen, die ein Abkömmling erhalten hat, als er noch durch einen näheren Abkömmling von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen war, sind aber gem. § 2053 Abs. 1 BGB bei der Ausgleichung nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt für Zuwendungen, die ein Abkömmling zu einer Zeit erhalten hat, zu der er noch nicht Abkömmling war, § 2053 Abs. 2 BGB.