Rz. 53
Bei Ausschlagung des Vermächtnisses richten sich die Rechtsfolgen grundsätzlich nach § 2180 BGB. Hat der Pflichtteilsberechtigte das Vermächtnis angenommen, ist eine spätere Ausschlagung nicht mehr möglich, ebenso wenig nach Erlöschen des Vermächtnisses. Während seines Bestehens ist das Wahlrecht nach § 2307 BGB einschließlich des Ausschlagungsrechts aber auch vererblich. Auch wenn sogar eine Ausschlagung durch schlüssiges Verhalten möglich ist, kann in der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nur dann eine konkludente Ausschlagung zu sehen sein, wenn der Pflichtteilsschuldner mit dem Vermächtnisschuldner identisch ist.
Rz. 54
Hat der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt der Pflichtteilsgeltendmachung keine Kenntnis von dem Vermächtnis oder glaubt er, es stünde ihm neben dem Pflichtteil zu, ist eine schlüssige Ausschlagung ausgeschlossen. Auch wenn lediglich der Pflichtteilsrestanspruch eingefordert wird, ist im Zweifel keine Ausschlagung gewollt. Schließlich steht der Pflichtteilsrestanspruch dem Berechtigten auch ohne vorherige Vermächtnisausschlagung zu. Im Ergebnis entscheiden aber stets die Umstände des Einzelfalls.
Rz. 55
Praxishinweis
Kommt es insoweit zu Auslegungsschwierigkeiten, ist im Zweifel immer die für den Pflichtteilsberechtigten günstigere Auslegung zu bevorzugen. Ob dieser Grundsatz in der Praxis in allen Fällen Beachtung findet, ist fraglich. Dem Pflichtteilsberechtigten ist daher zu raten, sein Verhalten und seine Erklärungen gegenüber dem Pflichtteils- und Vermächtnisschuldner so eindeutig wie möglich zu gestalten, damit Unklarheiten über die Frage der Ausschlagung gar nicht erst aufkommen können.
Rz. 56
Macht der Pflichtteilsberechtigte von seinem Ausschlagungsrecht wirksam Gebrauch, führt dies dazu, dass der Anfall des Vermächtnisses an den Pflichtteilsberechtigten gem. §§ 2180 Abs. 3, 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt gilt. Der Weg zum vollen Pflichtteil ist dann frei. Die Pflichtteilsberechnung vollzieht sich in diesem Fall nach den allgemeinen Grundsätzen, also auch unter Berücksichtigung anrechnungs- bzw. ausgleichungspflichtiger Vorempfänge. Handelt es sich bei dem Ausschlagenden um den überlebenden Zugewinn-Ehegatten, hat dieser nach der güterrechtlichen Lösung lediglich Anspruch auf den kleinen Pflichtteil. Ein Wahlrecht zum großen Pflichtteil besteht nicht.
Rz. 57
Ausschlagung und Annahme des Vermächtnisses sind bedingungsfeindlich. Vorbehalte sind daher unzulässig. Die Annahme des Vermächtnisses hat grundsätzlich die Verpflichtung zur Erfüllung durch letztwillige Verfügung angeordneter Belastungen und Beschwerungen (Untervermächtnis, Testamentsvollstreckung etc.) zur Folge.
Rz. 58
Das Wahlrecht nach § 2307 Abs. 1 BGB ist höchstpersönlicher Natur, sodass bspw. eine Annahmehandlung des Testamentsvollstreckers dem Pflichtteilsberechtigten nicht zugerechnet werden kann.