Rz. 93

Bei der Bewertung ausgleichungspflichtiger Zuwendungen oder Leistungen ist in entsprechender Anwendung des § 2055 Abs. 2 BGB auf ihren Wert zur Leistungszeit abzustellen, wobei Währungsverfall und Kaufkraftschwund zu bereinigen sind.[242]

 

Rz. 94

Bei der eigentlichen Ausgleichungsbewertung ist wie folgt vorzugehen:

Im ersten Schritt wird die Ausgleichungsgruppe ermittelt, indem die nicht an der Ausgleichung beteiligten Personen mit den ihnen jeweils "fiktiv zustehenden Erbteilen" ausgeschlossen werden. Betroffen hiervon sind der Ehegatte sowie die nach § 2056 BGB ausscheidenden Abkömmlinge.
Anschließend werden nach Maßgabe der §§ 2055 bis 2057a BGB dem auf die Ausgleichungsgruppe entfallenden Nachlass die zu berücksichtigenden ausgleichungspflichtigen Zuwendungen hinzugerechnet bzw. in Fällen des § 2057a BGB der Wert der Leistungen des betreffenden Abkömmlings in Abzug gebracht.
Sodann wird die Ausgleichungsquote unter Berücksichtigung aller an der Ausgleichung beteiligten Personen (Ausgleichungsgruppe) ermittelt. Der jeweilige Vorempfang wird dem Verpflichteten auf den ihm zustehenden Ausgleichserbteil angerechnet. Bei Anwendung des § 2057a BGB wird dem Ausgleichungserbteil der Wert der Leistungen hinzugerechnet. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des so ermittelten Ausgleichungserbteils.[243]
 

Beispiel

Erblasser E verstirbt im Jahr 2003. Er hinterlässt neben seiner Ehefrau F die drei Kinder A, B und C. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. A erhielt im Jahr 2000 einen ausgleichungspflichtigen Vorempfang i.H.v. 150.000 EUR. B erhielt 2000 ebenfalls einen ausgleichungspflichtigen Vorempfang i.H.v. 100.000 EUR. C hat keinerlei Zuwendungen erhalten. E hat seine Ehefrau F zur Alleinerbin eingesetzt. Der Nachlass hat einen Wert von 500.000 EUR.

Berechnung der Pflichtteilsansprüche von A, B und C:

Zunächst ist der Ausgleichungsnachlass zu bilden: F zählt nicht zu den ausgleichungspflichtigen Personen. Sie ist vorab mit ihrem Erbteil i.H.v. ½ = 250.000 EUR auszuscheiden. Es ergibt sich ein Ausgleichungsnachlass von (500.000 – 250.000 EUR =) 250.000 EUR.

Die Bereinigung der jeweiligen Zuwendung um die eingetretene Geldentwertung[244] stellt sich wie folgt dar:

(a) 150.000 EUR x 1,034 = 155.100 EUR

(b) 100.000 EUR x 1,034 = 103.400 EUR

Ausgleichungsnachlass = 250.000 + 155.100 + 103.400 = 508.500 EUR

Der Ausgleichungserbteil ergibt sich mit jeweils ⅓ = 169.500 EUR. Hiervon sind die jeweiligen Vorempfänge in Abzug zu bringen:

A: 169.500 – 155.100 EUR = 14.400 EUR

B: 169.500 – 103.400 EUR = 66.100 EUR

C: 169.500 EUR.

Hiervon ½ entspricht dem jeweiligen Pflichtteil gem. § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB:

A: 7.200 EUR

B: 33.050 EUR

C: 84.750 EUR

[242] BGHZ 65, 75.
[243] Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, PK Erbrecht, § 2316 Rn 14; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 15 bis 18.
[244] 2000 = 100 Punkte; 2003 = 103,4 Punkte.

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