1. Allgemeines
Rz. 221
Pflichtteilsergänzungsansprüche können nur durch diejenigen Schenkungen ausgelöst werden, die der Erblasser selbst ausgeführt hat. Der Schenkungsbegriff des § 2325 Abs. 1 BGB ist zwar grundsätzlich identisch mit dem der §§ 516, 517 und 1624 BGB. Das bloße Fehlen der objektiven Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung reicht aber für die Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung nicht aus.
Rz. 222
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist ausschließlich der Zeitpunkt der Zuwendung, später eintretende Wertverschiebungen spielen grundsätzlich keine Rolle. Dessen ungeachtet können sich aber auch nachträgliche Entgeltvereinbarungen bzw. Leistungen zwischen dem Erblasser und dem (vermeintlich) Beschenkten auf die Qualifikation der vom Erblasser erbrachten Leistung als Schenkung auswirken. Der Pflichtteilsberechtigte hat solche nachträglichen Vereinbarungen gegen sich gelten zu lassen.
2. Einzelfälle
Rz. 223
Unter den Schenkungsbegriff des § 2325 BGB sind auch belohnende (sog. remuneratorische) Schenkungen zu subsumieren. Nach § 1624 Abs. 1 BGB gilt auch die Übermaßausstattung (hinsichtlich des Übermaßes) als Schenkung.
Rz. 224
Zum Teil umstritten ist der Schenkungscharakter von Abfindungsleistungen, die im Gegenzug für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht geleistet werden. Nach richtiger Auffassung können derartige Zuwendungen aber i.d.R. nicht als Entgelt angesehen werden, sie lösen daher Pflichtteilsergänzungsansprüche aus. Leistungen zur Herbeiführung eines vorzeitigen Erbausgleichs des nichtehelichen Kindes stellten aber nach einhelliger Meinung keine Schenkungen dar.
Rz. 225
Die Anordnung von Auflagen hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Unentgeltlichkeit der Zuwendung.
Rz. 226
Bei sog. Zweckschenkungen ist nach den konkreten Bestimmungen des Schenkungsvertrages zu differenzieren: Ist die zweckgebundene Verwendung Vertragsbestandteil, liegt hierin eine auflösende Bedingung mit der Folge, dass bei deren Eintritt das Geschenk nach § 812 BGB wieder herausverlangt werden kann. Bis zur Beendigung des sich hieraus ergebenden Schwebezustands ist § 2325 BGB auf jeden Fall anwendbar. Hat der Beschenkte das Geschenk zweckentsprechend verwendet, kommt es entscheidend darauf an, wem dies zugutegekommen ist. Erfolgte bspw. eine Geldzuwendung unter der auflösenden Bedingung, die Mittel zum Bau eines selbstgenutzten Wohnhauses einzusetzen, ändert die Einhaltung dieser Bedingung sicherlich nichts am Charakter der Zuwendung.
3. Sonderfall: Gegenseitiger Vertrag, insb. Übergabevertrag und gemischte Schenkung
Rz. 227
Bei gegenseitigen Verträgen zu unter fremden Dritten üblichen Konditionen scheidet eine Schenkung grundsätzlich aus. Im Einzelfall ist aber stets zu prüfen, ob die getroffenen Vereinbarungen diesem Fremdvergleich standhalten oder ob es sich um eine gemischte oder verschleierte Schenkung handelt. Die Rechtsprechung setzt hier relativ enge Grenzen: Eine objektiv fehlende Gegenleistung kann durch den Parteiwillen nicht ersetzt werden. Von sachfremden Erwägungen getragene, willkürliche Bemessungen von Leistung und Gegenleistung sind nicht geeignet, die (teilweise) Unentgeltlichkeit einer Zuwendung zu verhindern. Bei einem groben Missverhältnis der einander gegenüberstehenden Werte spricht daher eine tatsächliche Vermutung für den Willen der Parteien zur Unentgeltlichkeit bzw. zur Bereicherung des weniger leistenden Teils. Dem Pflichtteilsberechtigten obliegt aber auf jeden Fall der Nachweis des objektiven Mi...