I. Haftung im Außenverhältnis
Rz. 281
Im Außenverhältnis haftet der Erbe (§ 2303 BGB) für die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche, bei einer Mehrheit von Erben die Erbengemeinschaft. Schwieriger gestaltet sich aber mitunter die Frage, wer im Innenverhältnis der Erben untereinander die Pflichtteilslast zu tragen hat und inwieweit die Pflichtteilslast auch die Vermächtnisnehmer und Auflagebegünstigten trifft.
Rz. 282
Für die Erbengemeinschaft gelten abweichend von der Grundregel des § 426 Abs. 1 BGB die Sonderregelungen der §§ 2032 ff. BGB. Nach §§ 2047, 2038 Abs. 2, 748 BGB hat jeder Miterbe grundsätzlich die Pflichtteilslast nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen. Nach hier vertretener Ansicht ist mit "Anteil" die Erbquote gemeint, sodass eventuelle Ausgleichungsvorgänge nach §§ 2050 ff. BGB hier außer Ansatz bleiben müssen. Wird nach bereits erfolgter Teilung durch einen weiteren Berechtigten der Pflichtteil geltend gemacht, kann dies dazu führen, dass derjenige, der bei der Ausgleichung nach § 2056 BGB aus dem Nachlass nichts mehr erhalten hat, möglicherweise nun im Nachhinein in Höhe seiner Erbquote für die Pflichtteilslast in Anspruch genommen wird.
Rz. 283
Praxishinweis
Demjenigen, der nach der Ausgleichung gem. § 2056 BGB ohnehin nichts mehr erhält, ist daher u.U. zu raten, rechtzeitig die Erbschaft auszuschlagen, um das Risiko einer späteren Haftung von vornherein auszuschließen.
II. Verteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis
1. Verhältnis zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer
a) Grundsätzliches
Rz. 284
Im Innenverhältnis verteilt das Gesetz in den §§ 2318 bis 2323 BGB die Pflichtteilslast auf Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte. §§ 2318 bis 2324 BGB regeln aber – mit Ausnahme der Einrede nach § 2319 BGB – nur das Innenverhältnis. Im Außenverhältnis bleibt es bei der alleinigen Haftung der Erben. Nach § 2318 Abs. 1 BGB hat der Erbe gegenüber dem Vermächtnisnehmer das Recht zur Vermächtniskürzung, wenn die Erbschaft mit einem Pflichtteilsanspruch belastet ist. Der Vermächtnisnehmer hat hier die Pflichtteilslast entsprechend dem Verhältnis des Werts seines Vermächtnisses zum Wert des Gesamtnachlasses zu tragen.
Rz. 285
Beispiel
Erblasser E setzt seinen Freund F zum Alleinerben ein. Zugunsten seines weiteren Freundes A setzt er ein Vermächtnis i.H.v. 20.000 EUR aus. Sein Sohn S, der einzige gesetzliche Erbe, ist enterbt. Der Nachlasswert beträgt 100.000 EUR. S verlangt von F den Pflichtteil.
S hat als einziger gesetzlicher Erbe einen Pflichtteilsanspruch von ½ des Nachlasses, mithin also 50.000 EUR. Nach § 2318 Abs. 1 BGB kann F die Erfüllung des Vermächtnisses an A teilweise verweigern. Das Verhältnis zwischen Vermächtnis und Nachlass beträgt 20 : 100. Mithin muss sich A im Innenverhältnis zu F im Verhältnis 20/100 = 1/5 an der Pflichtteilslast beteiligen. 1/5 von 50.000 EUR sind 10.000 EUR. In dieser Höhe kann A die Erfüllung des Vermächtnisses verweigern. Der Vermächtnisanspruch ist daher um 10.000 EUR auf 10.000 EUR zu kürzen. Bei F verbleibt eine Pflichtteilslast i.H.v. 40.000 EUR.
Formel: Kürzungsrecht bei Vermächtnissen gem. § 2318 Abs. 1 BGB
Rz. 286
Voraussetzung für die Geltendmachung des Kürzungsrechts ist, dass der Pflichtteilsanspruch bereits konkret geltend gemacht wurde. Solange eine wirtschaftliche Belastung nicht besteht, ist der Erbe auf den Schutz des § 2318 BGB nicht angewiesen. Hat der Erbe bei der Vermächtniserfüllung den Pflichtteilsanspruch nicht berücksichtigt und das Vermächtnis in voller Höhe ausbezahlt, steht ihm insoweit ein Rückforderungsanspruch gegen den Vermächtnisnehmer bzw. den Auflagenbegünstigten zu (§ 813 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2318 BGB).