1. Bewertungszeitpunkt
Rz. 267
Die Bewertung ergänzungspflichtiger Schenkungen erfolgt grundsätzlich nach den gleichen Prinzipien wie bei der Berechnung des Nachlasswerts zur Bestimmung des ordentlichen Pflichtteils. Im Regelfall ist also der Verkehrswert maßgeblich (§ 2311 BGB), bei Landgütern der zumeist wesentlich niedrigere Ertragswert gem. § 2312 BGB, dessen Voraussetzungen aber nicht nur im Übergabezeitpunkt, sondern auch noch beim Erbfall vorliegen müssen. Während bei der Bewertung des realen Nachlasses eindeutig der Todestag des Erblassers den Stichtag bildet, stellt das Gesetz in § 2325 Abs. 2 BGB für die Bewertung des Geschenks besondere Regeln auf:
Rz. 268
Bei verbrauchbaren Sachen i.S.d. § 92 BGB kommt es für die Bewertung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Zuwendung an. Maßgeblich ist ihr Wert im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung. Die Geldentwertung ist entsprechend der Entwicklung des allgemeinen Lebenshaltungskostenindexes auszugleichen. Ob die zugewendeten Gegenstände zwischenzeitlich tatsächlich verbraucht wurden oder sonst wie untergegangen sind, spielt keine Rolle.
Rz. 269
Für nicht verbrauchbare Gegenstände, insbesondere Immobilien, gilt das sog. Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB. Dementsprechend sind die Werte des verschenkten Gegenstands zum Zeitpunkt der Schenkung und zum Zeitpunkt des Erbfalls miteinander zu vergleichen, wobei der Wert im Zeitpunkt der Schenkung anhand des Lebenshaltungskostenindexes auf den Zeitpunkt des Erbfalls zu indexieren ist. Der niedrigere von beiden Werten ist der Berechnung des Ergänzungsanspruchs zugrunde zu legen.
Rz. 270
Wertsteigerungen zwischen dem Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung und dem Erbfall kommen dem Pflichtteilsberechtigten nach dieser Methodik nicht zugute. Andererseits nimmt der Pflichtteilsergänzungsberechtigte aber am Risiko einer zwischenzeitlichen Wertverringerung in Höhe seiner Quote teil. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Berechtigte stets nur um den Betrag "geschädigt" sein könne, dessen sich der Erblasser selbst unentgeltlich entäußert habe.
2. Bewertung vorbehaltener Rechte
Rz. 271
Werden bei der Schenkung Nutzungsrechte, z.B. ein Nießbrauchs- oder Wohnungsrecht, vorbehalten, bereitet die Feststellung des Werts nach dem Niederstwertprinzip erhebliche Schwierigkeiten. Der BGH favorisiert insoweit eine mehrstufige Berechnung.
Rz. 272
In der ersten Stufe wird zunächst der niedrigere Wert (im Zeitpunkt der Schenkung oder im Zeitpunkt des Erbfalls) bestimmt. Die vorbehaltenen Nutzungsrechte bleiben hierbei unberücksichtigt. Ergibt sich auf dieser Grundlage, dass der Wert im Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich ist, wird in der zweiten Stufe der Wert der Zuwendung unter Berücksichtigung des Nießbrauchs (und wiederum des seitdem eingetretenen Kaufkraftschwundes) ermittelt. Ist dagegen der Wert des Gegenstands im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich, bleibt der Nießbrauch endgültig unberücksichtigt, da er nach Wegfall des Berechtigten keine Belastung mehr darstellen kann. Gleiches hat der BGH auch für die Einräumung eines Wohnrechts entschieden. Die Art und Weise der Entstehung des Nutzungsrechts spielt für die Anwendung der geschilderten Bewertungsmethode übrigens keine Rolle. Die dargestellte Rechtsprechung kann als gefestigt anges...