a) Abgrenzung: Gewöhnliche Gesellschafterbeschlüsse – Grundlagenbeschlüsse
Rz. 63
Bei der Beschlussfassung in Gesellschafterversammlungen muss für den Minderjährigen sein gesetzlicher Vertreter handeln. Probleme können hierbei mit Blick auf § 181 BGB entstehen, wenn der gesetzliche Vertreter selbst an der Gesellschaft beteiligt ist oder mehrere minderjährige Gesellschafter vertritt. Es stellt sich dann die Frage der Anwendbarkeit des § 181 BGB (i.V.m. §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 BGB) auf Gesellschafterbeschlüsse.
Rz. 64
Diese Frage wird heute im Grundsatz bejaht. Anerkannt ist jedoch, dass § 181 BGB nicht unterschiedslos auf sämtliche Beschlüsse der Gesellschafter angewendet werden kann. Nach Ansicht des BGH sind für die Auslegung des § 181 BGB nicht allein formal-rechtliche oder konstruktive Überlegungen, sondern auch wertende Gesichtspunkte maßgebend. § 181 BGB kann danach Anwendung finden, wenn sich zwei oder mehr Personen in der Rolle von Geschäftsgegnern gegenüberstehen und jeder zulasten des anderen versucht, seine eigene Rechtsposition zu verschieben oder zu stärken. Demgegenüber steht bei gewöhnlichen Gesellschafterbeschlüssen das Ziel der verbandsinternen Willensbildung nach dem gesetzlichen Leitbild des § 705 BGB und damit die Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks auf dem Boden der bestehenden Vertragsordnung im Vordergrund.
Der BGH unterscheidet daher:
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Tatbestände, die aus dem Rahmen der Geschäftsführung und der laufenden gemeinsamen Gesellschaftsangelegenheiten herausfallen und die die Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses berühren (z.B. Abschluss und Änderung des Gesellschaftsvertrages) und |
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die Geschäftsführung bzw. die laufenden gemeinsamen Gesellschaftsangelegenheiten. |
In der ersten Fallgruppe ist § 181 BGB anwendbar, während bei der zweiten Fallgruppe eine Anwendung des § 181 BGB im Allgemeinen ausscheidet. Diese Unterscheidung hat sich heute in Rspr. und Lit. durchgesetzt. Die Anwendung des § 181 BGB wird außerdem bejaht, wenn es um einen Beschluss geht, der die Rechtsverhältnisse des (gesetzlichen oder gewillkürten) Vertreters selbst betrifft.
b) Einzelfälle
Rz. 65
Die Abgrenzung zwischen "gewöhnlichen" Gesellschafterbeschlüssen (§ 181 BGB unanwendbar) und Beschlüssen über Gesellschaftsgrundlagen (§ 181 BGB anwendbar) bereitet mitunter Schwierigkeiten. In Zweifelsfällen sollte in der Praxis vorsorglich ein Ergänzungspfleger für den entsprechenden Beschluss bestellt werden, um dessen wirksames Zustandekommen nicht zu gefährden.
Rz. 66
In folgenden Fällen wird die Anwendbarkeit des § 181 BGB bejaht:
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Satzungsänderungen, |
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Auflösungsbeschlüsse, |
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Bestellung des gesetzlichen Vertreters zum Geschäftsführer, |
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Bestellung eines Verwandten in gerader Linie des gesetzlichen Vertreters (z.B. seiner Mutter) zum Geschäftsführer (§ 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB), |
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Umwandlungsbeschlüsse, und zwar auch dann, wenn mit der Umwandlung keine Satzungsänderung verbunden ist, |
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Abschluss und Aufhebung von Unternehmensverträgen. |
Dagegen ist § 181 BGB z.B. auf folgende Beschlüsse nicht anzuwenden:
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Feststellung des Jahresabschlusses, |
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Beschluss über die Gewinnverwendung, |
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Bestellung eines Geschäftsführers, bei dem es sich nicht um den gesetzlichen Vertreter selbst oder eine mit ihm in gerader Linie verwandte Person handelt, |
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Entlastung des Geschäftsführers (für den Gesellschafter-Geschäftsführer gilt § 47 Abs. 4 GmbHG), |
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Beschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen. |
c) Beschlussfassung in der Hauptversammlung einer AG
Rz. 67
Besonderheiten gelten für die Beschlussfassung in der Hauptversammlung einer AG; § 181 BGB ist nach herrschender Meinung unanwendbar. Zur Begründung wird auf § 135 AktG verwiesen. Diese Vorschrift regelt die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung einer AG durch Kreditinstitute. Dabei geht das Gesetz ohne Weiteres davon aus, dass ein Kredi...