a) Anteilserwerb im Zuge einer Kapitalerhöhung
aa) Gesetzliche Vertretung
(1) GmbH
Rz. 52
Ein Minderjähriger kann einer bestehenden GmbH dadurch "beitreten", dass er im Zuge einer von der Gesellschaft beschlossenen Kapitalerhöhung eine neue Stammeinlage übernimmt. Hierfür ist ein Übernahmevertrag zwischen dem Minderjährigen und der Gesellschaft erforderlich, der aufseiten der Gesellschaft von allen Gesellschaftern – und nicht durch den Geschäftsführer – geschlossen wird. Dieser ist für den Minderjährigen wegen der Einlageverpflichtung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Der beschränkt Geschäftsfähige muss daher gesetzlich vertreten werden.
Rz. 53
Ist der gesetzliche Vertreter selbst an der Gesellschaft beteiligt, müsste er bei Abschluss des Übernahmevertrages sowohl als Vertreter der Gesellschaft (zusammen mit den anderen Gesellschaftern) als auch für den Minderjährigen handeln. Dieses Vorgehen verstößt gegen §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB, sodass in diesem Fall richtigerweise stets ein Ergänzungspfleger bestellt werden muss.
Teilweise wird danach unterschieden, ob außer dem gesetzlichen Vertreter weitere Gesellschafter an der Gesellschaft beteiligt sind oder nicht. Bejahendenfalls werde die Gesellschaft bei Abschluss des Übernahmevertrages – ebenso wie bei der Übernahme einer neuen Stammeinlage durch einen "Altgesellschafter" – von den nicht gem. § 181 BGB ausgeschlossenen Mitgesellschaftern vertreten; ein Ergänzungspfleger müsse nicht mitwirken. Gegen diese Ansicht spricht, dass die Gesellschafter bei Abschluss des Übernahmevertrages für die Gesellschaft nur Gesamtvertretungsmacht haben. Auch der Vergleich mit der Übernahme einer Stammeinlage durch einen bereits an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter überzeugt letztlich nicht. Denn in diesem Fall können die Gesellschafter für den Abschluss des Übernahmevertrages aufseiten der Gesellschaft Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilen. Bei einer Mehrfachvertretung durch den gesetzlichen Vertreter müsste zusätzlich die Befreiung aufseiten des Minderjährigen hinzukommen, um einen Verstoß gegen § 181 BGB zu vermeiden. Eine solche Befreiung kann dem gesetzlichen Vertreter jedoch nicht erteilt werden.
Rz. 54
Sollen mehrere Minderjährige Stammeinlagen übernehmen, kann für sie gleichwohl derselbe gesetzliche Vertreter handeln, da die Übernahmeverträge nur zwischen den Übernehmern und der Gesellschaft, nicht aber unter den Übernehmern geschlossen werden.
(2) AG
Rz. 55
Für den Beteiligungserwerb im Zuge einer Kapitalerhöhung einer AG gelten im Grundsatz die vorstehenden Ausführungen (Rdn 52 ff.) entsprechend. Gem. § 185 AktG muss der Minderjährige die auszugebenden neuen Aktien zeichnen, wodurch ein Zeichnungsvertrag mit der AG zustande kommt. Anders als bei der GmbH (Rdn 52) wird die AG aber bei Abschluss des Zeichnungsvertrages nicht durch die Aktionäre, sondern durch den Vorstand vertreten. Der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen ist daher bei Abschluss des Zeichnungsvertrages nur dann von der Vertretung gem. §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB ausgeschlossen, wenn er zugleich für die AG als Vorstand handelt, nicht aber bei einer bloßen Beteiligung als Aktionär.
bb) Familiengerichtliche Genehmigung
(1) GmbH
Rz. 56
Ob der Anteilserwerb eines Minderjährigen im Zuge einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, ist auch nach der Gesetzesänderung zum 1.1.2023 leider nicht eindeutig geklärt. Nach § 1852 Nr. 2 BGB ist ein Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird, genehmigungsbedürftig. Änderungen eines Gesellschaftsvertrages unterfallen diesem Tatbestand nach h.M. grds. nicht. Für Kapitalerhöhungen gegen Einlagen wird dies z.T. anders beurteilt.
M.E. folgt die Genehmigungsbedürftigkeit aus § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB, und zwar nicht für den Kapitalerhöhungsbeschluss, sondern für die Übernahmeerklärung, da aus ihr die Verpflichtung des Minderjährigen zum (entgeltlichen) Erwerb eines Geschäftsanteils resultiert. Zwar werden die durch eine Kapitalerhöhung gebildeten neuen Geschäftsanteile nicht durch eine "Verfügung" i.S.e. rechtsändernden Rechtsgeschäfts erworben, nach Sinn und Zweck der Norm macht es aber keinen Unterschied, ob bestehende Geschäftsanteile durch Abtretung erworben werden (dann ist § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB ohne weiteres anwendbar) oder durch eine Kapitalerhöhung. Daher ist § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB zumindest analog anzuwenden.
Sonst...