Rz. 63

Bei der Beschlussfassung in Gesellschafterversammlungen muss für den Minderjährigen sein gesetzlicher Vertreter handeln. Probleme können hierbei mit Blick auf § 181 BGB entstehen, wenn der gesetzliche Vertreter selbst an der Gesellschaft beteiligt ist oder mehrere minderjährige Gesellschafter vertritt. Es stellt sich dann die Frage der Anwendbarkeit des § 181 BGB (i.V.m. §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 BGB) auf Gesellschafterbeschlüsse.

 

Rz. 64

Diese Frage wird heute im Grundsatz bejaht.[137] Anerkannt ist jedoch, dass § 181 BGB nicht unterschiedslos auf sämtliche Beschlüsse der Gesellschafter angewendet werden kann. Nach Ansicht des BGH sind für die Auslegung des § 181 BGB nicht allein formal-rechtliche oder konstruktive Überlegungen, sondern auch wertende Gesichtspunkte maßgebend.[138] § 181 BGB kann danach Anwendung finden, wenn sich zwei oder mehr Personen in der Rolle von Geschäftsgegnern gegenüberstehen und jeder zulasten des anderen versucht, seine eigene Rechtsposition zu verschieben oder zu stärken. Demgegenüber steht bei gewöhnlichen Gesellschafterbeschlüssen das Ziel der verbandsinternen Willensbildung nach dem gesetzlichen Leitbild des § 705 BGB und damit die Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks auf dem Boden der bestehenden Vertragsordnung im Vordergrund.[139]

Der BGH unterscheidet daher:

Tatbestände, die aus dem Rahmen der Geschäftsführung und der laufenden gemeinsamen Gesellschaftsangelegenheiten herausfallen und die die Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses berühren (z.B. Abschluss und Änderung des Gesellschaftsvertrages) und
die Geschäftsführung bzw. die laufenden gemeinsamen Gesellschaftsangelegenheiten.

In der ersten Fallgruppe ist § 181 BGB anwendbar, während bei der zweiten Fallgruppe eine Anwendung des § 181 BGB im Allgemeinen ausscheidet.[140] Diese Unterscheidung hat sich heute in Rspr. und Lit. durchgesetzt.[141] Die Anwendung des § 181 BGB wird außerdem bejaht, wenn es um einen Beschluss geht, der die Rechtsverhältnisse des (gesetzlichen oder gewillkürten) Vertreters selbst betrifft.[142]

[137] BGHZ 65, 93 ff.; MüKo-BGB/Schäfer, § 709 Rn 78 ff.; Staudinger/Schilken, BGB, § 181 Rn 22 ff.; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 221, 224.
[138] BGHZ 65, 93, 97.
[139] BGHZ 65, 93, 97 f.
[140] BGHZ 65, 93, 95 ff.
[141] Vgl. OLG Nürnberg, MittBayNot 2018, 333; s. dazu Wachter, EWiR 2019, 13; BayObLG, NJW-RR 1989, 807; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn 178; Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 47 Rn 60 ff.
[142] BGHZ 112, 339; BayObLG, NZG 2001, 128; Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 47 Rn 60.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge