1. Problemstellung
Rz. 74
Gem. §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 (bis zum 31.12.2022: § 1821 Abs. 1 Nr. 1) BGB bedarf die Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück der familiengerichtlichen Genehmigung. Verfügung ist jede unmittelbare Einwirkung auf ein bestehendes Recht, sei es durch Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung oder Aufgabe. Genehmigungsbedürftig ist auch der schuldrechtliche Verpflichtungsvertrag (§ 1850 Nr. 5 BGB; bis zum 31.12.2022: § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB a.F.).
Nicht selten werden Minderjährige an grundbesitzverwaltenden Gesellschaften beteiligt, und es stellt sich die Frage, ob bei einer Veräußerung von Gesellschaftsgrundbesitz die gerichtliche Genehmigung eingeholt werden muss.
2. Veräußerung durch eine Kapitalgesellschaft oder eine Personenhandelsgesellschaft
Rz. 75
Der Genehmigungstatbestand des § 1850 Nr. 1 BGB greift nur dann ein, wenn sich der Geschäftsgegenstand auf das Vermögen des Minderjährigen bezieht. Bei Verfügungen ist Voraussetzung, dass der Verfügungsgegenstand dem Vermögen des Minderjährigen angehört. Ausreichend ist hier auch eine Bruchteils- oder Gesamthandsbeteiligung des Minderjährigen. Etwas anderes gilt, wenn vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person, an der der Vertretene beteiligt ist, Rechtsgeschäfte im Namen der juristischen Person abschließen. Hier wird nicht für den Minderjährigen, sondern für ein anderes Rechtssubjekt (e.V., AG, GmbH) gehandelt. Dies gilt selbst dann, wenn der Minderjährige Alleingesellschafter der juristischen Person ist.
Rz. 76
In Rspr. und Lit. ist anerkannt, dass es darüber hinaus an einem Bezug zum Mündelvermögen auch dann fehlt, wenn das Rechtsgeschäft das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft (OHG und KG) betrifft, an welcher der Minderjährige beteiligt ist, also nicht das Vermögen einer juristischen Person betroffen ist. Begründet wird dies z.T. mit
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der familiengerichtlichen Kontrolle über den Abschluss des Gesellschaftsvertrages gem. § 1852 Nr. 2 BGB (bis zum 31.12.2022: § 1822 Nr. 3 BGB a.F.), |
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dem Gedanken der Teilrechtsfähigkeit dieser Gesellschaften oder |
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der Erwägung, dass sonst dem Familienrichter in weitem Umfang die Entscheidung kaufmännischer Zweckmäßigkeitsfragen bei der Führung des Gesellschaftsunternehmens aufgebürdet würde, was als praktisch untragbar empfunden wird. |
3. Veräußerung durch eine GbR
Rz. 77
Umstritten ist die Genehmigungsbedürftigkeit gem. § 1850 Nr. 1 (bis zum 31.12.2022: § 1821 Abs. 1 Nr. 1) BGB, wenn es um eine Verfügung über den Grundbesitz einer GbR geht, an welcher ein Minderjähriger beteiligt ist.
Das OLG Hamburg hat bereits im Jahr 1957 entschieden, dass die Rspr. zu den Personenhandelsgesellschaften auch auf die GbR übertragbar sei, wenn diese ein Erwerbsgeschäft betreibe, nicht dagegen, wenn es sich bei der GbR um eine bloße Vermögensverwaltungsgesellschaft handele. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass bei Erwerbsgesellschaften eine vormundschaftsgerichtliche (heute: familiengerichtliche) Kontrolle der Gründung unter Beteiligung des Minderjährigen bzw. des Beitritts des Minderjährigen gem. § 1822 Nr. 3 BGB a.F. (heute: § 1852 Nr. 2 BGB) gewährleistet sei, nicht aber bei bloßen Vermögensverwaltungsgesellschaften.
Nach Ansicht des OLG Schleswig sind die für Personenhandelsgesellschaften angestellten Erwägungen für eine GbR zumindest dann einschlägig, wenn sie als Erwerbsgesellschaft betrieben wird.
Für rein vermögensverwaltende GbRs haben das OLG Koblenz und das OLG Nürnberg indes entschieden, dass die Veräußerung von Grundstücken durch die GbR selbst dann der familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB a.F. (heute: § 1850 Nrn. 1 und 5 BGB) bedürfe, wenn der Beitritt des Minderjährigen zu der Gesellschaft bereits gerichtlich genehmigt worden war. Das OLG Koblenz hat maßgeblich darauf abgestellt, dass – auch aufgrund besonderer Satzungsbestimmungen (die Umschichtung von Vermögenswerten sollte ggü. Der Fruchtziehung nur im konkreten Einzelfall und ausnahmsweise stattfinden; in der Präambel des Gesellschaftsvertrages wurde der Wunsch geäußert, das Vermögen solle möglichst zusammenbleiben) – "die Prüfung bei der Genehmigung des Beitritts zur Gesellschaft (…) gerade nicht die mögliche Veräußerung von Teilen des Gesellschaftsvermögens durch den Geschäftsführungsbevollmächtigten (umfasste)."
Auch in der Lit. wird die Rechtslage uneinheitlich beurteilt. Vereinzelt wird noch für die Verfügung über ein Grundstück einer GbR, an der ein Minderjähriger beteiligt ist, stets und ohne Eins...