1. Abgrenzung zur Kündigung der Gesellschaft
Rz. 85
Die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft (vgl. §§ 725 ff. BGB) führt seit dem 1.1.2024 grds. nicht mehr zu ihrer Auflösung, sondern "nur" noch zum Ausscheiden des Kündigenden (§ 723 Abs. 1 Nr. 2 BGB), sofern der Gesellschaftsvertrag in diesem Fall nicht die Auflösung der Gesellschaft vorsieht Der Ausscheidende ist nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages abzufinden (§ 728 BGB).
Rz. 86
Bei der GmbH ist ein Kündigungsrecht nicht gesetzlich, aber häufig statutarisch vorgesehen. Auch hier ist zu unterscheiden, ob die Kündigung zu einer Auflösung der Gesellschaft mit anschließender Liquidation oder "nur" zu einem Ausscheiden des Kündigenden führt. Im zweiten Fall scheidet der Kündigende – anders als bei einer Personengesellschaft – nicht "automatisch" aus der Gesellschaft aus, sondern muss noch seinen Gesellschaftsanteil an die Mitgesellschafter, einen Dritten oder an die Gesellschaft selbst abtreten.
Rz. 87
Terminologisch ist daher zwischen der Kündigung (nur) der Mitgliedschaft und der Kündigung der Gesellschaft zu unterscheiden.
2. Gesetzliche Vertretung
Rz. 88
Die Kündigung ist für den minderjährigen Gesellschafter nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, sodass auch der beschränkt Geschäftsfähige hierbei gesetzlich vertreten werden muss. Ist der gesetzliche Vertreter als Mitgesellschafter oder Geschäftsführer zugleich Erklärungsgegner, muss gem. §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 2 (bis 31.12.2022: § 1795 Abs. 2), 181 BGB ein Ergänzungspfleger bestellt werden, da die Kündigung als Grundlagengeschäft einzuordnen ist (s. Rdn 63 ff.).
3. Familiengerichtliche Genehmigung
Rz. 89
Die Kündigung der Gesellschaft führt nicht zum Ausscheiden des Gesellschafters, sondern zu einer Änderung des Gesellschaftszwecks; die werbende Gesellschaft wird zur Abwicklungsgesellschaft. Die Kündigung der Mitgliedschaft (zur Abgrenzung s. Rdn 85 ff.) hat dagegen bei der Personengesellschaft den unmittelbaren und bei der GmbH den mittelbaren Verlust der Beteiligung zur Folge.
Anders als unter Geltung der Rechtslage bis zum 31.12.2022 (s. dazu die Vorauflage Rn 90) bedarf der Betreuer (s. § 1847 BGB: bloße Anzeigepflicht) für die Aufgabe eines Erwerbsgeschäfts keiner gerichtlichen Genehmigung mehr; für die Eltern galt dies auch schon bisher und gilt nach wie vor (§ 1645 BGB). Hieraus wird gefolgert, § 1852 Nr. 1 BGB (bis zum 31.12.2022: § 1822 Nr. 3 BGB) sei auf die Fälle der Kündigung der Gesellschaft oder der Mitgliedschaft nicht anwendbar; eine gerichtliche Genehmigung der Kündigung sei daher nicht erforderlich.
Rz. 90
Der herrschenden Meinung ist für den Fall der Kündigung der Gesellschaft zu folgen, da eine solche Kündigung nicht zum Verlust der Beteiligung führt und daher nicht als Veräußerung des Erwerbsgeschäfts angesehen werden kann. Anders liegt es bei der Kündigung der Mitgliedschaft. Es macht bei einer am Normzweck orientierten Auslegung des § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB keinen Unterschied, ob der Minderjährige seine Beteiligung an die Mitgesellschafter überträgt oder ihnen das Vermögen einer Personengesellschaft infolge der Kündigung der Mitgliedschaft anwächst. Richtigerweise ist daher die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft nach § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB genehmigungsbedürftig. Bei der GmbH dürfte dies ebenfalls gelten, wenn infolge einer Kündigung die Verpflichtung zur Anteilsübertragung ausgelöst wird.
4. Kündigungsrecht des volljährig gewordenen Gesellschafters
Rz. 91
Bei der Beteiligung eines Minderjährigen an einer Personengesellschaft ist das Kündigungsrecht des volljährig gewordenen Gesellschafters gem. § 725 Abs. 4 Satz 1 BGB (bis zum 31.12.2023: § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BGB a.F.) zu beachten. Dieses Kündigungsrecht ist zwingend und kann daher nicht gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen werden (§ 725 Abs. 6 BGB; bis zum 31.12.2023: § 723 Abs. 3 BGB a.F.).
Rz. 92
Für die OHG und den persönlich haftenden Gesellschafter einer KG normiert § 132 Abs. 4 HGB seit dem 1.1.2024 ein dem § 725 Abs. 4 Satz 1 BGB entsprechendes (zwingendes) Kündigungsrecht des volljährig gewordenen Gesellschafters. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 161 Abs. 2 HGB) gilt dies auch für den volljährig gewordenen Kommanditisten. Indes wird eine teleologische Reduktion der Vorschrift vertreten, falls die Einlage auf den Kommanditanteil vollständig geleistet ist.