Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 38
Die Erstattungsfähigkeit von Fremdschäden setzt gem. §§ 3, 4 AVB-VSV zusätzlich zum Vorliegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung einer Vertrauensperson voraus, dass das versicherte Unternehmen dem geschädigten Dritten aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung hierfür tatsächlich Schadensersatz geleistet hat. Weitere Voraussetzung ist der Nachweis einer Schadensersatzverpflichtung der (identifizierten) Vertrauensperson gegenüber dem versicherten Unternehmen in entsprechender Höhe (§ 3 Abs. 1, 2 AVB-VSV) oder bei einer nicht identifizierten Vertrauensperson die Glaubhaftmachung des Tathergangs (§ 4 Abs. 2 AVB-VSV). Für die Anforderungen an die Darlegung einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung einer identifizierten (§ 3 AVB-VSV) bzw. nicht identifizierten Vertrauensperson (§ 4 AVB-VSV) gelten keine Besonderheiten gegenüber denen bei Eigenschäden (Rdn 34 ff.).
Rz. 39
Als gesetzliche Verpflichtung des VN, Schadensersatz für die unerlaubten Handlungen einer Vertrauensperson gegenüber Dritten zu leisten, kommt § 831 BGB, der als eigenständiger Haftungstatbestand aufgrund eigenen Fehlverhaltens (Verletzung von Verkehrspflichten) bei Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Gehilfen ausgestaltet ist, grds. nur untergeordnete Bedeutung zu. Bei vorsätzlichen Schadenhandlungen wie Diebstählen oder Unterschlagungen handelt der Verrichtungsgehilfe (z.B. der Arbeitnehmer) zwar nicht per se außerhalb des Kreises oder allgemeinen Rahmens der ihm anvertrauten Aufgaben. Andererseits wird es oft so liegen, dass der Gehilfe nur bei Gelegenheit der Verrichtung rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in Berührung kommt, sodass ein innerer Zusammenhang mit den ihm anvertrauten Aufgaben nicht mehr besteht. Zudem kann sich das versicherte Unternehmen gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Einwand berufen, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei Auswahl und Überwachung der Mitarbeiter eingehalten zu haben, wogegen freilich nicht bereits der Umstand streitet, dass eine VSV (auch) aus Misstrauen des Unternehmens gegen seinen Mitarbeiter abgeschlossen wird. Ähnlich stellt sich die Situation bei schadenstiftenden Handlungen verfassungsmäßiger Vertreter dar, die dem Unternehmen über § 31 BGB ebenfalls nur dann zugerechnet werden, wenn die Handlung "in Ausführung der zustehenden Verrichtung" begangen wurden.
Rz. 40
Neben der deliktischen kommt auch der vertraglichen Haftung des VN nach § 280 BGB eine gewisse Bedeutung zu, da §§ 3, 4 AVB-VSV den Versicherungsschutz bei Fremdschäden auf Fälle erweitern, in denen das versicherte Unternehmen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung Schadensersatz für vorsätzliche unerlaubte Handlungen der Vertrauensperson geleistet hat. Soweit die unerlaubte Handlung der Vertrauensperson zugleich eine vertragliche Haftung des VN begründet, erfolgt die Zurechnung nach § 278 BGB. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfehlung des Erfüllungsgehilfen nicht eine selbstständige unerlaubte Handlung darstellt, die mit der Vertragserfüllung nur in äußerem Zusammenhang steht, sondern dass die unerlaubte Handlung des Erfüllungsgehilfen in den allgemeinen Umkreis desjenigen Aufgabenbereichs gehört, zu dessen Wahrnehmung er von dem Schuldner bestimmt worden ist. Bspw. haftet der Hotelier für Schwarzfahrten seiner Angestellten, die Fahrzeuge der Gäste in der Garage abstellen sollen, oder das zur Aktenvernichtung bestellte Unternehmen, wenn sich ein Mitarbeiter wettbewerbsrelevante Informationen aneignet. Der durch die vorsätzlich unerlaubten Handlungen der Vertrauenspersonen verursachte Fremdschaden ereignet sich damit typischerweise sowohl am Integritäts- als auch am Äquivalenzinteresse des Gläubigers.
Rz. 41
Die von der Rechtsprechung entwickelte Repräsentantenhaftung, nach welcher der VN für Personen einzustehen hat, die aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an dessen Stelle getreten und damit im Rahmen der Risikoverwaltung tätig sind, kommt als Erweiterung der Verpflichtung des VN, für die ungetreue Vertrauensperson Schadensersatz zu leisten, deswegen nicht in Betracht, da sie nur im Verhältnis zum Versicherer anwendbar ist.