Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 67
§§ 21 ff. AVB-VSV schließen Schadensermittlungs- und Rechtsverfolgungskosten, die typischerweise dem Bereich mittelbarer Schäden zuzuordnen und damit dem Grunde nach nicht erstattungsfähig sind, in den Deckungsumfang unter den dortigen Voraussetzungen ein. Voraussetzung für die Deckung ist jeweils, dass der VN entsprechende Zahlungen tatsächlich geleistet hat. Wegen der relativen Häufigkeit dieser Maßnahmen ist die Deckung solcher Kosten ein wichtiger Bestandteil der VSV, ohne den das Produkt stark an Attraktivität verlöre. Der Ersatz von Schadensermittlungs- und Rechtsverfolgungskosten wird gem. § 28 AVB-VSV auf 50 % bzw. 20 % der pro Versicherungsfall zur Verfügung stehenden Summe sublimitiert.
a) Schadensermittlungskosten
Rz. 68
Schadensermittlungskosten sind nach § 22 Abs. 1 AVB-VSV Aufwendungen, die ein versichertes Unternehmen zur Aufklärung des Schadenshergangs, zur Feststellung der Schadenhöhe oder zur Ermittlung des Schadenverursachers getätigt hat, wobei die Ersatzleistung des Versicherers nur erfolgt, sofern ein versicherter Schaden i.S.d. § 23 AVB-VSV, d.h. ein Anspruch gegen den VR auf Zahlung einer Entschädigung, besteht. § 22 Abs. 2 und 3 AVB-VSV unterscheidet zwischen externen und internen Schadensermittlungskosten.
Rz. 69
Externe Schadensermittlungskosten sind Zahlungen, die das versicherte Unternehmen aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung an außenstehende Dritte leistet, die in das Schadensmanagement eingebunden sind. Die AVB-VSV sehen abweichend von anderen Bedingungswerken keine Pflicht zur Abstimmung mit dem VR vor der Einschaltung Dritter in die Schadensermittlung vor. Auch der Kreis der Dritten wird in den AVB-VSV nicht weiter eingegrenzt. Ob in den Fällen der Schädigung Dritter durch eine Vertrauensperson (§§ 3, 4 AVB-VSV) auch die Kosten, die dem geschädigten Dritten im Rahmen der Schadensermittlung entstehen, als mittelbare Fremdschäden vom Versicherungsschutz umfasst sind, ist indes zweifelhaft. Der Wortlaut lässt eine solche Auslegung grundsätzlich zu; ebenso mag der Vergleich mit den gem. § 25 AVB-VSV expressis verbis zu den gedeckten externen Rechtsverfolgungskosten zählenden gegnerischen Rechtsanwaltskosten dafür sprechen. Eine derart weitgehende Auslegung liefe indes dem für den VN erkennbaren Zweck der Begrenzung der Deckung auf unmittelbare Fremdschäden zuwider und ist damit unter teleologischen Gesichtspunkten abzulehnen.
Zu den externen Schadensermittlungskosten zählen neben Gutachterkosten auch Zahlungen an die für ein versichertes Unternehmen tätigen Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie deren Angestellte, die im Auftrag des versicherten Unternehmens für dieses berufsübliche Dienstleistungen erbringen. Zwar gehören diese gem. § 29 Nr. 6 AVB-VSV zum Kreis der Vertrauenspersonen, jedoch zählen zu den internen Schadensermittlungskosten gem. § 22 Abs. 3 AVB-VSV lediglich Zahlungen an Vertrauenspersonen gem. § 29 Nr. 1–3 AVB-VSV. Die Gesamtschau dieser ausdrücklichen Beschränkung und der fehlenden Eingrenzung des Kreises der Dritten i.S.v. § 22 Abs. 2 AVB-VSV ergibt aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und mit Blick auf die Unklarheitenregel nach § 305c Abs. 2 BGB die Auslegung, dass alle nach § 22 Abs. 3 AVB-VSV vom Kreis der Vertrauenspersonen ausgeschlossenen Personen als Dritte zu qualifizieren sein dürften.
Rz. 70
Zusätzlich zu den externen Schadensermittlungskosten werden auch interne Schadensermittlungskosten ersetzt, wenn sie für eine Vertrauensperson oder als Sachaufwendungen getätigt wurden und ohne den Versicherungsfall vom VN nicht getätigt worden wären. Es handelt sich hierbei um die außergewöhnlichen Sach- und Personalkosten, die dem VN im Zusammenhang mit einem Versicherungsfall entstehen, wobei der Kreis der unternehmensinternen Verursacher von Personalkosten auf Vertrauenspersonen i.S.v. § 29 Nr. 1–3, d.h. Organmitglieder, Arbeitnehmer und ähnliche Personen, begrenzt ist. Zu denken ist etwa an Überstundenvergütung für Mitarbeiter oder die vorübergehende Notwendigkeit der Einstellung von Zusatzpersonal.
Bereits in der Bezeichnung als "zusätzlich entstandene interne Kosten" kommt die Ausnahme solcher Kosten, die einem versicherten Unternehmen oder Konzernunternehmen auch ohne den Versicherungsfall entstanden wären ("Sowieso-Kosten"), zum Ausdruck. Für die Abgrenzung zwischen ersatzfähigen Schadensermittlungskosten und nicht ersatzfähigen "Sowieso-Kosten" kommt es auf die hinreichend kausale Verknüpfung der entstandenen Kosten zu einem konkreten Versicherungsfall an, die sich im Einzelfall als schwierig erweisen kann. Orientierung können die Maßstäbe des allgemeinen Schadensrechts bieten, wonach Aufwendungen des Geschädigten vor dem Schadenfall (Vorsorge- und Vorhaltekosten) sowie Kosten, die für die organisatorische Bearbeitung des Schadenfalls anfallen (Personal- bzw. Mühewaltungskosten), grds. nicht ersatzfähig sind, da sie keine kausale Folge des schädigenden Ereignisses da...