Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 42
§§ 5-8 AVB-VSV enthalten besondere Regelungen für den Fall, dass die vorsätzliche unerlaubte Handlung einer Vertrauensperson im vorsätzlichen und rechtswidrigen Erlangen, Nutzen oder Offenlegen von Geschäftsgeheimnissen besteht. Die Neuregelung trägt der Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen mit dem 2019 in Kraft getretenen GeschGehG Rechnung, das die Überführung des zuvor als Annexmaterie zum UWG geregelten Geheimnisschutzes in ein zivilrechtlich geprägtes Spezialgesetz zum Gegenstand hat. Für die Definition des Geschäftsgeheimnisses wird auf das GeschGehG (s. dort § 2 Nr. 1) verwiesen und auch der Katalog von Verletzungshandlungen ("erlangt, nutzt oder offenlegt", vgl. §§ 5 und 6 AVB-VSV jew. Abs. 1 a.E.) weist erkennbaren Bezug zu den Handlungsverboten des § 4 GeschGehG auf. Dem Grunde nach handelt es sich um eine Konkretisierung der Deckung für von identifizierten Vertrauenspersonen herbeigeführte Eigen- und Fremdschäden i.S.v. §§ 1 und 3 AVB-VSV auf die in § 4 GeschGehG aufgeführten Rechtsverletzungen. Das Vorliegen einer solchen verbotenen Handlung, die nicht nach § 5 GeschGehG ausgenommen ist, begründet die Haftung des Rechtsverletzers (§ 2 Nr. 3 GeschGehG) gegenüber dem Inhaber des Geschäftsgeheimnisses (§ 2 Nr. 2 GeschGehG) nach § 10 Abs. 1 S. 1 GeschGehG. In den Fällen des §§ 5, 6 AVB-VSV ist Rechtsverletzer die Vertrauensperson und Inhaber des Geschäftsgeheimnisses das versicherte Unternehmen. Die Differenzierung zwischen eigenen (§ 5 AVB-VSV) und fremden (§ 6 AVB-VSV) Geschäftsgeheimnissen, die das GeschGehG im Übrigen nicht trifft, dient v.a. der Beschränkung auf dem versicherten Unternehmen rechtmäßig anvertraute Geschäftsgeheimnisse sowie der Berücksichtigung des § 3 Abs. 1 AVB-VSV entsprechenden Erfordernisses der gesetzlichen Schadensersatzpflicht des versicherten Unternehmens gegenüber dem Dritten, dessen (fremdes) Geschäftsgeheimnis Gegenstand der Verletzung geworden ist. Abweichend von § 3 Abs. 1 AVB-VSV ist nicht erforderlich, dass das versicherte Unternehmen dem Dritten tatsächlich Schadensersatz geleistet hat.
Rz. 43
In § 7 AVB-VSV findet sich ein Wiedereinschluss für gem. § 49 Nr. 1 AVB-VSV ausgeschlossene mittelbare Schäden in der Form entgangenen Gewinns, sofern diese infolge des Verrats von Geschäftsgeheimnissen entstanden sind. Vergegenwärtigt man sich das typische Schadensszenario für diesen Bereich des Vertrauensschadens (Wettbewerbsnachteile durch Entwendung von Preiskalkulationen, Lieferanten- und Kundenlisten; Zu-Eigen-Machen von Absatz- und Werbemethoden, Herstellungsverfahren und Modellskizzen u.v.m.), würde der Ausschluss des entgangenen Gewinns den erwartbaren Leistungszweck der VSV, so wie er in §§ 5, 6 AVB-VSV zum Ausdruck gelangt, gefährden. § 8 AVB-VSV erweitert die Erstattung externer Rechtsverfolgungskosten gem. §§ 24, 25 AVB-VSV (Rdn 71) für die Geltendmachung von Auskunfts- (§ 8 GeschGehG), Herausgabe- (§ 7 Nr. 1 GeschGehG) oder Unterlassungsansprüchen (§ 6 GeschGehG).