Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 45
Die Beweislast für das Vorliegen einer bedingungsgemäßen vorsätzlichen unerlaubten Handlung einer Vertrauensperson trägt gemäß den allgemeinen Grundsätzen das versicherte Unternehmen. Daran ändern auch etwaige Beweiserleichterungen gegenüber der Vertrauensperson – etwa bei gleichzeitigem Vorliegen einer vertraglichen Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB – s. aber § 619a BGB bei Arbeitnehmern) nichts. Aus Sicht des versicherten Unternehmens beginnt der Sachverhalt häufig mit der Feststellung eines Vermögensschadens. Das Unternehmen wird sich sodann um die Sachverhaltsaufklärung und die Ermittlung des Täters bemühen, wofür die Kosten vom Versicherungsschutz umfasst sind (s. Rdn 68 ff.). Es hat hierbei die für interne Ermittlungen geltenden Beschränkungen des Arbeits- und des Datenschutzrechts zu beachten. Die Anforderungen an die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs hängen davon ab, ob es dem versicherten Unternehmen gelingt, eine Vertrauensperson zu identifizieren.
a) Identifizierte Vertrauensperson
Rz. 46
Gelingt es dem versicherten Unternehmen, die für den Schaden verantwortliche Vertrauensperson zu identifizieren, ist ein schriftliches Schuldanerkenntnis grundsätzlich geeignet, eine mit dem Schaden deckungsgleiche Erklärung über die Verantwortlichkeit der Schadenverursachung darzustellen. Zu beachten sind die Grenzen, die die Rechtsprechung für die Fallgruppe der Sittenwidrigkeit vom Arbeitgeber eingeforderter Schuldurkunden aufgestellt hat. Während dem Arbeitnehmer beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis die Einwendungen abgeschnitten werden, die er bei Abgabe des Anerkenntnisses kannte oder mit denen er zumindest rechnete, bleiben Einwände möglich, die die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB oder eine mögliche Anfechtung nach §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB betreffen. Sittenwidrigkeit wird bei einer die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners weit übersteigenden Verpflichtung angenommen, wenn zusätzliche, dem Gläubiger zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Schuldners ausnutzt, oder ihn auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt, bspw. mit einer (sozial ungerechtfertigten) Kündigung droht. Allein die Tatsache, dass der anerkannte Sachverhalt sich nur schwierig oder gar nicht hätte beweisen lassen, stellt jedenfalls kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dar.
Rz. 47
In jedem Falle ist der betroffenen Vertrauensperson eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen und für die Gefahr, dass das Schuldanerkenntnis durch Anfechtung wegen Drohung beanstandet wird, eine Beurkundung durch den Notar zu veranlassen, die mit einer wirksamen Vollstreckungsunterwerfungserklärung gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO auch für den Versicherer Vorteile bringt, da Vollstreckungstitel wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlungen in der Zwangsvollstreckung gem. § 850f Abs. 2 ZPO und § 302 Nr. 1 InsO privilegiert werden.
Rz. 48
Bei rechtswidrig erlangten Informationen ist fraglich, ob sie zum Nachweis des Versicherungsfalls genügen können. Denn der Versicherer wird nach der Schadenregulierung versuchen, den im Wege der cessio legis übergegangenen Haftpflichtanspruch notfalls gerichtlich durchzusetzen. Dieser erweist sich als wertlos, wenn das vom versicherten Unternehmen vorgelegte Beweismittel im Regressprozess mit einem Sachvortrags- bzw. Beweisverwertungsverbot behaftet ist (vgl. § 404 BGB). Zwar ist damit grds. das sog. Regressrisiko des Versicherers betroffen, das er bereits bei der Prämienkalkulation hat berücksichtigen können. Allerdings kann der Wortlaut der §§ 1, 3 AVB-VSV ("nachweist") auch dahingehend verstanden werden, dass zur Führung des Nachweises auf zivilprozessuale Beweisgrundsätze abgestellt werden kann.
Rz. 49
Führt das versicherte Unternehmen einen Haftungsprozess gegen den (identifizierten) Schädiger oder wird der Schädiger rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dortige Feststellungen auf die Eintrittspflicht des VR in der VSV haben. Für die Haftpflichtversicherung ergibt sich die Bindungswirkung von Feststellungen im Haftpflichtprozess für den Deckungsprozess im Wege der Auslegung des vom VR gegebenen Leistungsversprechens im Versicherungsvertrag. Zwar handelt es sich bei der VSV nicht um eine Haftpflicht-, sondern um eine Eigenschadenversicherung (Rdn 12). Gleichwohl hält die Rechtsprechung zur VSV der Notarkammern die haftpflichtversicherungsrechtlichen Grundsätze von Trennungsprinzip und Bindungswirkung für anwendbar. Zur Begründung wird maßgeblich auf die Ergänzungsfunktion der VSV für Notare zur Berufshaftpflichtversicherung im Bereich von Vorsatz und den Zw...