Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 20
Bereits die Abgrenzung, worauf sich die Unmittelbarkeit beziehen muss, bereitet Schwierigkeiten. So kann sich das Erfordernis der Unmittelbarkeit auf die Frage der Kausalität, den Kreis der Ersatzberechtigten, die zeitliche Abfolge des Schadeneintritts oder aber darauf erstrecken, an welchem Rechtsgut der Schaden eingetreten ist. Eine gesetzliche, von der Rechtsprechung entwickelte oder in der Literatur anerkannte Definition des Begriffs "mittelbarer Schaden" gibt es nicht, sodass die Beschränkung der Auslegung bedarf. Hierbei ist das Verständnis eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten VN zugrunde zu legen, wobei es auch auf den mit dem Bedingungswerk verfolgten Zweck ankommt, soweit dieser für den VN erkennbar ist. Die Beschränkung der Deckung auf mittelbare Schäden dient der Begrenzung der ersatzfähigen Schadenspositionen in Höhe und Umfang auf das kalkulatorisch vertretbare Minimum, und diese Zwecksetzung ist für den VN ohne weiteres erkennbar. Anhand dieses Maßstabs ist für jede einzelne Schadensposition, sofern kein ausdrücklich gem. § 49 Nr. 1 AVB-VSV aus- oder gem. §§ 7, 17, 19 f. und 21 ff. AVB-VSV (wieder-)eingeschlossener Schaden vorliegt, anhand der o.g. Abgrenzungskriterien die Un-/Mittelbarkeit festzustellen. Bei von sonstigen Rechtsgutsverletzungen wie Sach- oder Personenschäden abgeleiteten Vermögensschäden kann etwa die Differenzierung danach erfolgen, ob der eingetretene Vermögensschaden der Wiederherstellung der verletzten Sache oder Person dient oder einen darüber hinausgehenden Nachteil darstellt; bei reinen Vermögensschäden ist dagegen das Kriterium der Kausalität, ggfs. unter Zuhilfenahme des zeitlichen Verlaufs, hilfreich.
Rz. 21
Diese Auslegung deckt sich mit der des OLG Düsseldorf, das sich in zwei Urteilen jüngeren Datums mit der Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden zu befassen hatte. Im Urt. v. 21.9.2018 ging es um Ansprüche aus einer VSV wegen des Abwerbens von Schlüsselmitarbeitern zu einem Konkurrenzunternehmen durch zwei ehemalige Vorstandsmitglieder der VN. Das OLG Düsseldorf stellt fest, bei der Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden sei zu prüfen, auf welche Vermögensinteressen die Vertrauensperson primär nachteilig eingewirkt hat – soweit daraus weitere Nachteile resultieren, handle es sich um bloß mittelbare Vermögensschäden. Der Senat sieht im Verlust von Schlüsselmitarbeitern eine Rechtsgutsverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) und lässt folglich Elemente der Rechtsgutstheorie in die Abwägung einfließen.
Im darauffolgenden Urt. v. 28.8.2020 machte die VN einen Schaden wegen nicht autorisierten Handelns mit Schweizer Franken durch einen für das Devisenmanagement zuständigen Mitarbeiter geltend. Infolge eines durch die überraschende Aufhebung des Mindestkurses verursachten Kursanstiegs war die VN gezwungen, zur Erfüllung eingegangener Termingeschäfte Schweizer Franken zum höheren Kurs zu kaufen. Das Gericht stellt fest, der – zumal deutlich weiter zurückliegende – pflichtwidrige Abschluss der Währungsgeschäfte durch den Mitarbeiter sei zwar kausal i.S.d. conditio sine qua non-Formel für den erlittenen Vermögensschaden. Die willentliche Entscheidung der Schweizer Nationalbank über die Aufhebung des Mindestkurses sowie die wiederum willentliche Entscheidung, Schweizer Franken zur Erfüllung eingegangener Verbindlichkeiten zum höheren Kurs zu kaufen, unterbrächen zwar den Zurechnungszusammenhang nicht, stellen aber doch relevante Zwischenursachen dar, auf die der erlittene Vermögensschaden unmittelbar zurückzuführen sei. Es handelt sich hierbei um einen reinen Vermögensschaden, sodass der Senat anstelle einer Abgrenzung nach Rechtsgütern bzw. Vermögensinteressen die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden vornehmlich nach Kausalitätsgesichtspunkten unter Heranziehung zeitlicher Aspekte vornimmt.