Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 25
Die doppelte Beschränkung des Versicherungsschutzes auf unmittelbare Schäden auf Ebene der primären Risikoabgrenzung (§§ 1–4 AVB-VSV) einerseits und als Ausschlusstatbestand (§ 49 Nr. 1 AVB-VSV) andererseits, die teilweise als "überflüssig" bezeichnet wird, hat zumindest aber Auswirkungen auf die Beweislast. So muss nach den Grundsätzen der Beweisführung im Versicherungsprozess zunächst der VN die Unmittelbarkeit des eingetretenen Schadens darlegen und im Bestreitensfall zur Überzeugung des Gerichts beweisen. Die Beweislast des VR beschränkt sich darauf, im Wege des Gegenbeweises die Überzeugung des Gerichts von der Unmittelbarkeit des Schadens zu erschüttern. Gelingt ihm dies nicht, trägt sodann der VR auf Ebene der sekundären Risikoabgrenzung die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausschlusses für mittelbare Schäden. Gegenstand des Voll- wie auch des Gegenbeweises sind dieselben Tatsachen, deren Vorliegen bzw. Nichtvorliegen nach einer Beweisaufnahme auf Primärebene zur Überzeugung des Gerichts feststeht, sodass darüber nicht erneut Beweis erhoben werden kann. Nach der derzeitigen Gestaltung des Bedingungswerks dürfte dem Ausschluss des § 49 Abs. 1 AVB-VSV damit in den meisten praktischen Fällen nur deklaratorische Bedeutung in Bezug auf das primäre Merkmal der Mittelbarkeit zukommen. Eigenständige beweisrechtliche Relevanz erlangt der Ausschluss in den seltenen Fällen, in denen der VR es zwar versäumt, die vom VN dargelegte Unmittelbarkeit des Schadens zu bestreiten, sich aber gleichzeitig auf den Ausschluss der Deckung wegen Mittelbarkeit beruft. Eine solche Auslegung des Beklagtenvorbringens käme dem Verzicht auf eine vorteilhafte beweisrechtliche Rechtsposition gleich, sodass schriftsätzliche Ausführen des VR zur (Un-)Mittelbarkeit des Schadens in der Regel als Antritt des Gegenbeweises auf Primärebene und nicht als Antritt des Vollbeweises auf Sekundärebene auszulegen sind.
Rz. 26
Teilweise werden Bedenken gegen die AGB-rechtliche Wirksamkeit des Ausschlusstatbestands erhoben. Der BGH hatte in seinem Urt. v. 20.7.2011 zur VSV der Notarkammern den Ausschluss mittelbarer Schäden als Gefährdung des Vertragszwecks (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a.F. = § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) erachtet und damit für unwirksam erklärt. Die Begründung hebt auf den amtshaftungsähnlichen Zweck der Versicherung und ihren Charakter als Pflichtversicherung ab und ist deswegen nicht auf die VSV für Unternehmen zu übertragen. Der hiesige Ausschluss mittelbarer Schäden wird teilweise unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) beanstandet, da für den VN nicht ersichtlich sei, welche Schäden im Einzelfall als mittelbar zu erachten und damit vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Das OLG Düsseldorf hat diesen Bedenken in seinem Urt. v. 21.9.2018 für den Fall, dass die Ausschlussklausel keine beispielhafte Aufzählung mittelbarer Schäden enthält, nicht entsprochen, da dessen Inhalt unter Berücksichtigung der üblichen Geschäftserfahrenheit des VN durch Auslegung hinreichend zu ermitteln sei. Dieses Urteil verdient im Ergebnis Zustimmung. Im Hinblick auf die deklaratorische Bedeutung dieses Ausschlusses stellte sich die Frage der Wirksamkeit im Übrigen bereits auf der Primärebene. Das Unmittelbarkeitserfordernis in §§ 1-4 AVB VSV gefährdet nicht den Vertragszweck und ist hinreichend transparent, weil es für den durchschnittlichen VN einer Vertrauensschadenversicherung der Auslegung in dem Maße zugänglich ist, dass er die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen erkennen kann, die sich für ihn daraus ergeben.