Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 120
§ 1629 Abs. 1 BGB erlaubt dem Sorgeberechtigten die gesetzliche Vertretung des Kindes, also auch die Geltendmachung von Kindesunterhalt. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB ermöglicht bei gemeinsamer elterlicher Sorge dem Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, Unterhalt gegen den anderen Elternteil durchzusetzen, ohne dass die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben oder eine Entscheidung nach § 1628 BGB getroffen worden ist. Die Beweislast für die Obhut hat derjenige Elternteil, der Unterhalt für ein gemeinsames Kind verlangt. Beim Wechselmodell hat die Beweislast für die eigene überwiegende tatsächliche Fürsorge der Elternteil, der Unterhalt für das Kind verlangt.
Rz. 121
Dann ist jedoch weiter zu unterscheiden:
a) Verfahrensstandschaft gem. § 1629 Abs. 3 BGB
Rz. 122
Aus Sicht des zeitlichen Ablaufs beginnen Kindesunterhaltsverfahren regelmäßig im Zeitraum der Trennung ihrer Eltern. Solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, besteht eine gesetzliche Verfahrensstandschaft für die Geltendmachung des Minderjährigenunterhaltes (§ 1629 Abs. 3 BGB), die die gemeinsame gesetzliche Vertretung überlagert. Nunmehr erfasst die gesetzliche Verfahrensstandschaft auch den Fall, dass zwischen den Eltern eine eingetragene Lebenspartnerschaft besteht (Fall der Stiefkindadoption), die Eltern sich trennen und der Lebenspartner Unterhaltsansprüche im eigenen Namen geltend macht.
Rz. 123
Die Verfahrensstandschaft umfasst alle Aktiv- und Passivverfahren, gilt also sowohl im Verbund als auch im isolierten Verfahren und betrifft während dieses Zeitraumes auch Abänderungsanträge auf Herabsetzung des Kindesunterhaltes sowie Verfahren der einstweiligen Anordnung und vereinfachte Verfahren.
Rz. 124
Folglich kann der betreuende Elternteil den Kindesunterhalt nur im eigenen Namen gerichtlich geltend machen, muss also selbst als Antragsteller im Rubrum der Antragsschrift bezeichnet sein (und nicht nur als gesetzlicher Vertreter des Kindes). Der Name des anspruchsberechtigten Kindes taucht dann im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung gar nicht auf, sondern lediglich im Tenor und in der Begründung.
Rz. 125
Aus den Regelungen zur Verfahrensstandschaft ergeben sich weitere Konsequenzen:
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Für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bei eines in Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens auf Kindesunterhalt ist auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisses des antragstellenden Elternteils und nicht auf diejenigen des Kindes abzustellen. |
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Besteht zwischen den Eltern eine Freistellungsvereinbarung, so soll eine in Verfahrensstandschaft erhobene Unterhaltsklage mutwillig i.S.d. § 114 ZPO sein. |
Rz. 126
Ist auf diesem Wege der Titel erlangt worden, dann ist auch der Elternteil Inhaber dieses Titels und vollstreckt daraus im eigenen Namen (gesetzliche Vollstreckungsstandschaft).
Rz. 127
In der Praxis sind folgende Fälle der Beendigung dieser Verfahrensstandschaft zu beachten:
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die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den anderen Elternteil |
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der Wechsel der Obhut, |
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Nach diesem Aufenthaltswechsel ist der Elternteil, der jetzt die Obhut über gemeinsame minderjährige Kinder ausübt, auch berechtigt, die Kinder bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vertreten, die aus der Zeit vor seiner Obhutsausübung herrühren. |
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der Übergang des Kindesunterhaltes auf das Land gem. § 7 UVG, |
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der rechtskräftigen Feststellung der Nichtvaterschaft oder |
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der Volljährigkeit des Kindes. |
Rz. 128
Der Wegfall der Verfahrensstandschaft hat ausnahmsweise nur Auswirkungen auf neue, nicht jedoch auf bereits anhängige Verfahren,
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wenn die Eltern wieder zusammenleben oder |
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die Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens durch Rücknahme des Scheidungsantrages endet. |
Rz. 129
In diesen Fällen dauert in dem laufenden Verfahren die Verfahrensstandschaft fort bis zum Abschluss des Unterhaltsverfahrens, soweit die elterliche Sorge keinem anderen als dem geltend machenden Elternteil übertragen worden ist.